„Wie bitte, was?“ fragen Sie sich jetzt vielleicht. Was hat Botox mit einer Wurst zu tun? Und: Wussten Sie, dass es mittlerweile nicht nur Falten glättet, sondern sehr vielfältig eingesetzt wird?

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1. Die Geschichte der … Wurst

Bis weit ins 19. Jahrhundert kostete die „Wurstvergiftung“ viele Menschenleben. 1895 gelang es dem Bakteriologen Emile van Ermengem, den Erreger des Wurstgiftes zu identifizieren. Heute heißt der Keim „Clostridium botulinum“ (botulus = lateinisch für Wurst). Der amerikanische Arzt Dr. Alan Scott forschte an dem Gift und arbeitete an der Entwicklung für die Anwendung beim Menschen. Als erstes wurde Botox zu Behandlung des Schielens zugelassen. 2006 ist es für sein bekanntestes Einsatzgebiet zugelassen worden: zur Behandlung von Zornesfalten in der ästhetischen Medizin. Aber es gibt noch viel mehr Anwendungsgebiete.

2. Relax! Das Wirkprinzip

Botuliniumtoxin A hemmt die Übertragung von Erregungen zwischen den Zellen. Wird es in Muskelzellen injiziert, verhindert es die Muskelkontraktion. Die Folge: Die Muskeln entspannen sich, und dadurch lösen sich u. a. schmerzhafte Muskelverspannungen. Dieses Wirkprinzip macht man sich seit Langem in der Neurologie zunutze. Gute Therapieerfolge erzielt man etwa bei speziellen Bewegungsstörungen im Kopfbereich wie etwa Schielen oder Lidkrampf.

3. Migräne & Botox: Frequenz reduzieren

Migräne äußert sich in episodischen Attacken, die von starkem, meist einseitigem, pochendem und pulsierendem Kopfschmerz gekennzeichnet sind. Häufig wird die Attacke von Übelkeit und Erbrechen begleitet. Bei chronischer Migräne hat sich Botulinumtoxin A als wirksam erwiesen. Dabei werden nach einem bestimmten Schema an bis zu 40 Stellen an Kopf, Nacken und im Schulterbereich Injektionen verabreicht. In bestimmten Fällen darf Botox nicht eingesetzt werden – z. B. bei Erkrankungen der neuromuskulären Übertragung.

4. Falten weg - Depression auch?

Lassen sich Depressionen mit dem Antifaltenmittel einfach wegspritzen? Eine deutsche Metaanalyse aus dem Jahr 2021 legt dies nahe. Ihre Aussage: Botox-Injektionen wirkten mehr als doppelt so stark wie zugelassene orale Antidepressiva. Wie kann das sein? Die Facial-Feedback-Hypothese besagt, dass bestimmte Bewegungen der Gesichtsmuskeln über einen Rückkopplungsmechanismus die erlebten Emotionen beeinflussen. Depressive Patient:innen konnten durch das Nervengift die Stirn nicht mehr runzeln, um etwa ein besorgtes Gesicht zu machen – dies schien antidepressiv zu wirken. Fachkreise kritisieren jedoch die zu kleine Teilnehmerzahl und den unrealistisch starken Effekt der Studie – weitere Untersuchungen sollen folgen.

5. Hyperhidrose: Schweiß lass nach …

Ein weniger schmerzhaftes, aber für Betroffene durchaus unangenehmes Thema ist vermehrte, krankhafte Schweißbildung (Hyperhidrose) in Achselhöhlen und Handflächen. Das Botox reduziert die Schweißdrüsen-Aktivität. „Dadurch lässt sich der Leidensdruck stark verringern“, so Neurologin Dr. Jasmin Kechvar, Oberärztin am Evangelischen Krankenhaus Wien. Die Wirkungsdauer der Injektionen bei Hyperhidrose beträgt zwischen fünf und neun Monaten.

6. Neu! Botox gegen überschüssige Kilos

Botulinumtoxin kann nun auch bei leichter bis mittelschwerer Adipositas (BMI 27 bis ca. 40) eingesetzt werden. „Spritzt man Botulinumtoxin an 20 ganz bestimmten Stellen im Magen, verlangsamt das nicht nur die Magenentleerung, sondern reduziert auch das Hungergefühl“, erläutern die Chirurgen Dr. Katayoun Tonninger und Dr. Friedrich A Weiser, die ersten Fachärzte, die „Magenbotox“ in Österreich im Rahmen einer Gastroskopie anwenden.

Für alle Botox-Anwendungen gilt: Die Therapie soll jeweils nur von Spezialist:innen ihres Fachs angewandt werden. Sowohl die Dosierung als auch die Platzierung erfordern umfassende Kenntnis und Erfahrung.