„Die Pandemie geht, das Virus bleibt und wir werden damit umgehen können“, erklärte unlängst Gesundheitsminister Johannes Rauch. Wir sprachen mit Molekularbiologen und „Science Buster“ Martin Moder, PhD über das (vermeintliche) Ende dieser Pandemie und mögliche zukünftige.

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Am 25. Februar 2020 wurden die ersten Coronavirusinfektionen in Österreich registriert. Am 11. März erklärte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Epidemie zur Pandemie.

Die höchste Alarmstufe hatte die WHO bereits sechs Wochen zuvor ausgerufen. Der Rest ist Geschichte, wie man so schön sagt: Lockdowns, Maskenpflicht, diskutierte Impfpflicht, 3-G-Regelungen. Jetzt, mehr als drei Jahre später, ist von den Corona-Schutzmaßnahmen kaum mehr etwas übrig – die letzten fallen spätestens mit 30. Juni. Grund genug, bei einem Experten nachzufragen ...

DA … ist die Pandemie nun endgültig vorbei, Herr Moder?
Martin Moder, PhD Eine klare Definition vom Ende einer Pandemie gibt es nicht. Deshalb konnte man auch zu jedem Zeitpunkt der Pandemie jemanden finden, der genau dann gesagt hat: „Das wars, ab jetzt ist die Pandemie vorbei.“ Und oft kam danach eine Welle, größer als alle vorherigen. Aber mittlerweile ist das Virus berechenbarer geworden. Die Fallsterblichkeit ist deutlich gesunken und es ist kaum noch jemand übrig, der weder Kontakt mit dem Virus noch mit einer Schutzimpfung hatte. Ob man das als Ende der Pandemie bezeichnen möchte, ist dennoch Auslegungssache. Man darf jedoch nicht erwarten, dass die Krankheitslast der Bevölkerung nach einer Pandemie wieder am vorpandemischen Niveau landet. Denn das Virus verschwindet nicht, nur weil wir das Ende von irgendetwas ausrufen. Aber vielleicht ist es greifbarer, wenn man es andersherum formuliert: Viel endemischer als jetzt wird das Virus nicht werden. Insofern ist das vielleicht ein guter Zeitpunkt, vom Ende der Pandemie zu sprechen.

DA Warum hatten manche Menschen noch immer kein COVID?
Moder Da gibt es eine Vielzahl an Faktoren und viele davon verstehen wir bis heute nicht gut. Zum Beispiel gibt es seltene Genvarianten, die die Wahrscheinlichkeit, einen asymptomatischen Verlauf zu haben, deutlich erhöhen. Wer sowohl vom Vater als auch von der Mutter eine Genvariante namens HLA-B*15:01 vererbt bekommen hat, hat eine achtmal höhere Chance, die Infektion gar nicht zu bemerken. Diskutiert wird auch, ob Infektionen mit saisonalen Coronaviren, die häufig Erkältungen verursachen, das SARS-CoV-2-Infektionsrisiko reduzieren könnten. Die vermutlich ausschlaggebendsten Faktoren sind jedoch Vorsicht und Glück.
Selbst ein sehr ansteckendes Virus kann nicht alle gleichzeitig erwischen. Und wenn man bei den letzten Prozent dabei ist, die sich noch nicht angesteckt haben, während alle um einen herum bereits krank wurden, ist die Verlockung groß zu denken, dass da irgendetwas Spezielles in einem stecken könnte. Aber in den meisten Fällen wird es so sein, dass es die Statistik gut mit einem gemeint hat und man bisher einfach Glück hatte. Praktischerweise ist man ja weder seiner Genetik noch seinem Glück tatenlos ausgeliefert und kann selbst Maßnahmen ergreifen, nämlich: Schutzmaßnahmen beachten, wo es angemessen erscheint, und die Schutzimpfung holen. Dann ist die Chance, dass man auch weiterhin Glück hat, um einiges größer.

DA Die Affenpocken haben in den letzten Monaten viele Menschen beunruhigt. Zurecht? Sind neue Pandemien in näherer Zukunft zu befürchten?
Moder Bei den Affenpocken hatten wir das Glück, dass sie nicht so leicht übertragbar sind und sich die Übertragungen überwiegend innerhalb einer gut definierbaren Risikogruppe abgespielt haben. Da konnte man mit relativ simplen Aufklärungs- und Schutzmaßnahmen in kurzer Zeit sehr viel bewirken. Bei Atemwegserkrankungen wie COVID-19 ist das schwieriger. Ein Fazit aus der Pandemie ist, dass wir wissenschaftlich sehr gut aufgestellt sind. Dass in so kurzer Zeit Schutzimpfungen entwickelt wurden, die dermaßen effektiv vor Tod und schwerer Erkrankung durch den Erreger schützen, sind hervorragende Nachrichten. Das zweite Fazit ist jedoch, dass wir gesellschaftspolitisch katastrophal vorbereitet sind. Dass es radikalen Gruppen gelingt, ein Virus, das Millionen Menschen tötet, zu verharmlosen und gleichzeitig die Schutzimpfung dagegen zum Feind zu erklären, ist dermaßen absurd, dass einem die Worte fehlen. Und dass eine etablierte politische Partei dieses Nonsense-Narrativ auch noch befeuert und damit erfolgreich ist, sollte man nicht auf die leichte Schulter nehmen. Es wird nicht die letzte Pandemie gewesen sein und wenn die nächste nicht mit einer Fallsterblichkeit von 2 % startet, sondern vielleicht mit 20 %, was keinesfalls im utopischen Bereich liegt, werden solche Blender noch deutlich mehr Tote zu verantworten haben, als es in dieser Pandemie bereits der Fall war.

DA Gibt es noch etwas, das Sie unseren Lesern zu dem Thema mitgeben wollen?
Moder Viele haben das Politische mit dem Medizinischen in einen Topf geworfen. Immer wieder kamen Leute mit der Aussage zu mir, sie würden eigentlich eh davon ausgehen, dass die Schutzimpfung sinnvoll ist, mögen aber die Regierung nicht und lassen sich deshalb nicht impfen. Auch wenn ich das emotional nachvollziehen kann – Schutzimpfungen gehören zu den größten Errungenschaften der Menschheit. Man übersieht es nur leicht, weil viele der Schrecknisse der Vergangenheit durch Schutzimpfungen beseitigt und zurückgedrängt wurden. Das geschah jedoch unabhängig davon, wer aktuell im Parlament sitzt.

DA Danke für das Gespräch.