Etwa ab dem 50. Lebensjahr nimmt die natürliche Leistungsfähigkeit des Gehörs auf beiden Ohren ab. Welche Ursachen dahinter stecken und wie sich der Alltag mit Hörminderung erleichtern lässt, erfahren Sie in diesem Beitrag.

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Unter Schwerhörigkeit (Hypakusis) versteht man – unabhängig von einer Ursache – eine Verminderung der Hörfähigkeit im weitesten Sinne. Laut WHO liegt eine Hypakusis bei Erwachsenen vor, wenn im Mittel auf dem besser hörenden Ohr bei den Frequenzen 500, 1.000, 2.000 und 4.000 Hz ein dauerhafter Hörverlust von mindestens 26 dB besteht. Schwerhörigkeit im Alter (Presbyakusis) ist in vielen Fällen eine Folge von Überlastungen des Hörorgans durch Lärm. Die Entstehung der Altersschwerhörigkeit geht schleichend voran und beginnt meist mit dem Hörverlust hoher Frequenzen und nachlassendem Sprachverständnis in lautem Umfeld.

Schwerhörigkeit hat viele Ursachen

Es sind zwei Hauptformen von Schwerhörigkeit definiert: Bei der Schallempfindungsschwerhörigkeit oder sensorischen Schwerhörigkeit, wie sie auch bei der Altersschwerhörigkeit besteht, sind Haarzellen des Innenohrs (Cochlea) beschädigt, die geräuschinduzierte Vibrationen in elektrische Signale umwandeln, ehe sie via Hörnerv zum Gehirn geleitet werden. Liegt hingegen eine Schallleitungsschwerhörigkeit vor, handelt es sich um eine Störung im Außen- und Mittelohr. Die Fähigkeit des Ohrs, Schall in das Innenohr zu leiten, ist bei dieser Form herabgesetzt, betroffen sind Gehörgang, Trommelfell oder Gehörknöchelchen.

Darüber hinaus ist eine Mischform bekannt, die „kombinierte Schwerhörigkeit“. Bei der neuralen Schwerhörigkeit ist der Hörnerv selbst beschädigt. Die zentrale Schwerhörigkeit andererseits betrifft die Hörbahn und/oder Hörrinde, Nervensignale aus dem Innenohr können nicht mehr richtig verarbeitet werden. Sind Cochlea und Hörnerv betroffen, liegt eine sensorineurale Schwerhörigkeit vor. Der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle der Hörsturz erwähnt, bei dem es sich in der Regel um eine meist einseitige Schallempfindungsschwerhörigkeit handelt, die plötzlich und ohne erkennbare Ursache auftritt und einen unterschiedlichen Schweregrad aufweist. Auch Verletzungen des Trommelfells oder Erkrankungen wie eine Mittelohrentzündung, Kopfverletzungen, ototoxische Arzneistoffe und Fehlbildungen des Ohrs können Gehörschäden zur Folge haben.

Hypakusis Zahlen & Fakten

In der Altersgruppe der 61- bis 70-Jährigen liegt die Häufigkeit der sogenannten Altersschwerhörigkeit bei etwa 37 Prozent und steigt in der Gruppe der 71- bis 80-Jährigen auf etwa 60 Prozent an.

Die Zahl der Schwerhörigen wird in den kommenden Jahren weiter ansteigen; nach Schätzungen der WHO werden im Jahr 2050 weltweit 900 Millionen Menschen hörbehindert sein.

Hörstörungen zählen laut WHO in den Industrieländern zu den sechs häufigsten Erkrankungen, die die Lebensqualität am meisten einschränken. Bei ausgeprägter Schwerhörigkeit steigt das Risiko für eine Demenz auf das nahezu Fünffache an.

Anstrengende Cocktailparty

Schwerhörige können ihre Störung relativ lange kompensieren, indem sie z. B. entsprechende Geräte (Telefon, Fernseher) lauter stellen oder der sprechenden Person bzw. den Schallquellen das gesunde Ohr zuwenden. Sie nutzen auch ihre Augen zur Spracherkennung, wenn sie Wörter von den Lippen abzulesen versuchen. Auffällig ist v. a. das nachlassende Sprachverständnis bei Umgebungsgeräuschen, was als „Cocktailparty-Effekt“ bezeichnet wird: Durch die verzögerte synaptische Übertragung werden schnell dargebotene akustische Reize schlechter verstanden.

Auch in größeren, hallenden Räumen reicht das Restgehör zum Verständnis nicht aus, was sich durch häufiges Nachfragen oder inhaltlich falsche Beantwortung von Fragen äußern kann. Darüber hinaus ist das Richtungshören eingeschränkt. Nicht selten erkennt man Schwerhörige an ihrer „unangemessen“ lauten Stimme. Dauerhafte Schwerhörigkeit endet unweigerlich in Kommunikationsstörungen. Leiden soziale und persönliche Beziehungen, so erhöht sich das Risiko, an einer Depression oder Demenz zu erkranken. So belegte eine prospektive Studie mit rund 640 Teilnehmenden, dass das Risiko für eine Demenz mit dem Grad der Schwerhörigkeit auf das nahezu Fünffache ansteigt. Außerdem laufen schwerhörige Menschen eher Gefahr, im Straßenverkehr einen Unfall zu erleiden. Daher zählen die Hörstörungen nach der „Global Burden of Disease“-Studie der WHO in den Industrieländern zu den sechs häufigsten Erkrankungen, die die Lebensqualität am meisten einschränken.

Erleichterte Kommunikation

  • Machen Sie die hörgeschädigte Person darauf aufmerksam, wenn Sie mit ihr sprechen möchten.
  • Die Person sollte Sie während des Gesprächs anschauen können. Halten Sie Augenkontakt. Weder Gesichtsausdruck noch Lippenbewegungen sollten überbetont werden, da dies zu Missverständnissen führen kann.
  • Sprechen Sie nur mit einer Person gleichzeitig, deutlich und nicht zu schnell. Auch sollten Sie weder zu laut sprechen noch nuscheln.
  • Verdecken Sie Ihren Mund nicht.
  • Wiederholen Sie Ihre Sätze mit neuen Formulierungen, um Missverständnissen vorzubeugen. Manche Wörter sind leichter wahrzunehmen oder von den Lippen ablesbar als andere.
  • Seien Sie geduldig und entspannt.
  • Fragen Sie die hörgeschädigte Person nach besseren Kommunikationsmöglichkeiten, falls Sie im Zweifel sind.

Knopf im Ohr statt Knopf im Kopf

Hören - © iStock
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Als einzige vorbeugende Maßnahme kann die konsequente Vermeidung einer gehörschädigenden Lärmbelastung angeraten werden. Von prophylaktischer Bedeutung könnten darüber hinaus eine Stabilisierung des Herz-Kreislauf-Systems und des Blutdrucks sowie Stressvermeidung sein, um den Hörablauf und die Funktion zentralnervöser Strukturen zu erhalten.

Auch auf Rauchen und übermäßigen Alkoholkonsum sollte verzichtet werden. Ob oxidativer Stress ein möglicher Risikofaktor für Schwerhörigkeit ist, ist derzeit noch nicht geklärt. Immerhin konnte im Tierversuch gezeigt werden, dass sich durch eine vorbeugende Kombination antioxidativ wirksamer Substanzen (u. a. Folsäure, Glutathiondisulfid, Vitamin C und B12) die Hörschwellen senken ließen.

Um schleichenden Hörverlust frühzeitig zu erkennen, ist die jährliche Kontrolle des Hörvermögens ratsam. Moderne Hörgeräte lassen das Hören durch ihre Kleinheit und akustischen Ausstattungsmerkmale wieder zu einem Erlebnis werden. Dass sie helfen, Gesundheitsrisiken von Menschen mit einmHörverlust zu senken und ihre Lebensqualität zu verbessern, schlägt sich auch in deren steigenden Verkaufszahlen nieder.

Da die Bedürfnisse von Person zu Person unterschiedlich sind, gibt es nicht „das eine“ Hörgerät, das für jeden/jede Träger:in passend ist. Viele Betroffene warten zu lange, bis sie sich eine Hörhilfe zulegen und haben dann schon vergessen, wie ein (fast) normales Gehör klingt. Daher ist es oft notwendig, sich an deren Verwendung zu gewöhnen. Das gelingt jedoch nur, wenn die Geräte konsequent getragen (und dabei eingeschaltet) werden, selbst wenn sie anfangs als störend empfunden werden. Besonders zu Beginn müssen die Geräte laufend durch den/die Hörakustiker:in angepasst werden. Dann steht einer uneingeschränkten Teilnahme am gesellschaftlichen Leben nichts mehr im Wege.