Jeder fünfte Österreicher gibt an, körperlich, emotional und geistig völlig erschöpft zu sein – Diagnose Burn-out. Über Symptome, Diagnose und Therapiemöglichkeiten einer Erkrankung unserer Leistungsgesellschaft.

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Mehr und mehr Überstunden und Sätze wie: „Das macht mir Spaß, daher ist es keine Arbeit.“ Auf den ersten Blick beneidenswert, denn es scheint so, als ob der Job − wie oft gesagt wird − nicht nur Beruf, sondern Berufung ist. Doch es gibt bekanntlich immer zwei Seiten der Medaille.

Und die zweite wird lange Zeit nicht gesehen, denn es beginnt ganz schleichend mit dem Drang, sich und seinen Mit­menschen – egal, ob am Arbeitsplatz oder im privaten Umfeld – etwas beweisen zu wollen. Dazu kommen hohe Erwartungen an sich selbst, die unter allen Umständen erfüllt werden müssen. Von der Persönlichkeitsstruktur zeigt sich in erster Linie ein Hang zum Perfektionismus – und damit verbunden ein außergewöhnlich hohes Leistungsstreben. Die eigene Wertigkeit wird ausschließlich über Leistung und damit verbundener Anerkennung definiert.

Erste Alarmzeichen

In dieser Anfangsphase ist es für Betroffene und auch für Außenstehende schwer zu erkennen, dass Gefahr in Verzug ist. Denn nach wie vor gilt in unserer Gesellschaft das Leistungsprinzip. Stress in der Arbeit, Überstunden und damit das Gefühl, unabkömmlich zu sein, werden als positiv wahrgenommen. Diese Anerkennung dient sozusagen als positiver Verstärker, sodass die ersten Symptome ignoriert und in weiterer Folge noch mehr getan wird, um die eigenen Ansprüche und die der anderen zu erfüllen. Eine Negativspirale setzt sich in Gang ...

Die 12 Burn-out-Stadien

  1. Zwang, sich zu beweisen
  2. verstärkter Einsatz, ungeachtet der eigenen körperlichen/psychischen Möglichkeiten
  3. Vernachlässigung der eigenen Bedürfnisse
  4. Verdrängung von Konflikten und Bedürfnissen
  5. Umdeutung von Werten, Abstumpfung
  6. verstärkte Verleugnung von Problemen
  7. sozialer Rückzug
  8. Verhaltensänderungen und Ersatzbefriedigungen, z. B. Alkoholkonsum, Essen
  9. Verlust des Gefühls für die eigene Persönlichkeit
  10. innere Leere, Mutlosigkeit, Angst, Panik, Ersatzbefriedigungen werden exzessiv
  11. Depression, Erschöpfung, Verzweiflung, Suizidgedanken
  12. völliger emotionaler, körperlicher und geistiger Zusammenbruch

Ein Teufelskreis beginnt

Der deutsch-amerikanische Klinische Psychologe und Psychoanalytiker Herbert Freudenberger war es, der den Begriff 1974 erstmals verwendete. Er war es auch, der den Verlauf in unterschiedliche Phasen einteilte. Über­steigerter Ehrgeiz führt dazu, dass immer mehr getan wird, um sich zu beweisen.

Eine Überarbeitung ist die Folge, an die eine zunehmende Vernachlässigung persönlicher Bedürfnisse und sozialer Kontakte geknüpft ist. Probleme werden verdrängt, es kommt zum voll­kommenen sozialen Rückzug. Betroffene fühlen sich wertlos, verspüren eine innere Leere und werden ängstlich.

In dieser Phase stehen depressive Symptome wie Hoffnungs- und Antriebs­losigkeit, das Fehlen einer Perspektive und eine unüberwindbare Müdigkeit sowie körperliche und mentale Erschöpfung im Vordergrund.

Hier braucht es professionelle Hilfe, um aus dem „Schwarzen Loch“ wieder herauszufinden. Geschieht dies nicht, kann es zu einem kompletten körperlichen und psychischen Zusammenbruch bis hin zum Suizid führen.

Eigenständige Diagnose erst ab 2022

Die WHO hat Burn-out erstmals als eigenständige Diagnose anerkannt. Ab 2022 wird Burn-out definiert als Syndrom aufgrund von „Stress am Arbeitsplatz, der nicht erfolgreich verarbeitet werden kann“. Gekennzeichnet durch:

  • ein Gefühl von Erschöpfung
  • eine zunehmende geistige Distanz oder negative Haltung zum eigenen Job
  • ein verringertes Leistungsvermögen im Beruf

Die Dimensionen zeigen es: Die Definition lässt sich nur auf den beruflichen Kontext anwenden, während Erschöpfungs­zustände − verursacht durch andere, private, Lebens­bereiche − nicht unter die Burn-out-Definition fallen.

Nun sind diese Unklarheiten also behoben. Die Definition hat aber noch eine weitere wichtige Dimension: Ärzte werden nun weltweit Burn-out als Diagnose registrieren – dadurch werden statistische Untersuchungen zur Häufigkeit und dem Verlauf von Burn-out deutlich vereinfacht.

Abgrenzung zur Depression

Für die Praxis ist die bisherige Definition schwammig und die Abgrenzung zu anderen Krankheits­bildern schwierig. Denn unüberwindbare Müdigkeit, Hoffnungs- und Antriebslosigkeit finden sich auch bei einer Depression. Deshalb kann eine eindeutige Diagnose auch nur von Experten wie Psychologen oder Psychiatern gestellt werden.

Neben einer ausführlichen Anamnese kommen dabei auch spezifische Fragebögen zum Einsatz. Im Blutbild zeigt sich Burn-out schon lange, bevor äußere Symptome auftreten. Betroffene haben zum Beispiel einen niedrigen Magnesium- oder Kalziumgehalt und einen erhöhten Milchsäureanteil im Blut. Wird der Stress chronisch, bleiben auch Adrenalin-, Noradrenalin- und Cortisolspiegel im Körper erhöht.

Der nachfolgende Burn-out-Zustand ist vergleichbar mit Depressionen oder der Apathie nach Schock­zuständen: Der Körper beschränkt seine Funktionen auf wichtige Organe wie Leber, Herz, Nieren und das Gehirn, um wichtige Kraftreserven zu schonen.

Innere und äußere Ursachen

Burn-out-Ursache Nummer eins ist Stress. Eine hohe Arbeits­belastung, fehlendes Feedback, mangelnde Ressourcen, zu hohe und/oder unklare Erwartungen, eine zunehmende Überforderung und damit verbunden das Gefühl, dass die eigene Arbeit nichts wert ist, sind die häufigsten Gründe, warum jemand in ein Burn-out schlittert.

Neben diesen äußeren Bedingungen spielen auch Persönlichkeitsmerkmale eine große Rolle: sehr hoher Ehrgeiz, Perfektionismus, die Unfähigkeit, „Nein“ sagen zu können und ein hohes Maß an Ängsten, wie zum Beispiel die Angst zu versagen, Angst vor Kritik, die Angst nicht gut genug zu sein und die Erwartungen und Anforderungen nicht schaffen zu können. Es sind viele Faktoren, die dazu beitragen, ob jemand gefährdet ist, an einem Burn-out zu erkranken, und es liegt keinesfalls alleine an der Persönlichkeit, vielmehr ist es ein Ineinandergreifen von mehreren Komponenten.

So kommt es nicht zum Ausbrennen

  1. Niemand ist perfekt Die eigenen Erwartungen zurückzuschrauben und auch Fehler zuzulassen hilft, innerlichen Druck abzubauen.
  2. Nicht alles sofort Ständige Erreichbarkeit ist ein wesentlicher Stressfaktor. Gezielte Auszeiten vom Handy am Wochenende sorgen für eine bessere Work-Life-Balance. Ebenso hilft es, Mails nach Dringlichkeit und nicht nach Eintreffen zu beantworten. So wird man nicht ständig bei einer Aufgabe unterbrochen, und die Konzentration bleibt aufrecht.
  3. Nein sagen lernen Man muss nicht immer alles selber machen und kann auch einmal Nein sagen. Aufgaben delegieren oder im Team bearbeiten kann ebenfalls Stress reduzieren.
  4. Sport und Entspannungstechniken Ausdauersport gilt als eines der besten Mittel, um Stress abzubauen. Eine Runde laufen nach der Arbeit macht nicht nur den Kopf frei, sondern kann ein wahrer Energieboost sein. Wer es lieber ruhiger mag, kann Yoga- oder Entspannungs­übungen in seine Abendroutine einbauen.
  5. Freunde treffen Studien beweisen: Wer über ein gutes soziales Umfeld verfügt, wird seltener krank – körperlich und psychisch. Also lieber eine Überstunde weniger und stattdessen mit Freunden den Abend verbringen.

Welche Therapiemöglichkeiten gibt es?

Vorbeugen ist zwar besser als heilen, dennoch leidet – wie eingangs erwähnt – jeder fünfte Österreicher an emotionaler Erschöpfung und fühlt sich ausgebrannt. Um aus der Stressspirale zu kommen, ist meist der Hausarzt erster Ansprechpartner. In weiterer Folge werden Spezialisten wie Psychiater, Psychotherapeuten und Psychologen hinzugezogen.

Psycho­therapeutische und psychologische Behandlungen sind bei der Behandlung von Burn-out Mittel erster Wahl. Die Betroffenen müssen lernen, die Prioritäten anders zu setzen. Burn-out ist also weit mehr als eine Modediagnose. Es handelt sich um ein ernstzunehmendes Krankheitsbild, das bis zum Suizid führen kann. Um das zu verhindern ist es notwendig, hellhörig zu sein, wenn jemand nur noch für die Arbeit und nicht von der Arbeit lebt.

Autorin: Mag. Natascha Marakovits