Bis Sie es zum Arzt oder Physiotherapeuten schaffen, können Sie sich in der Akutphase mit der „PEACE and LOVE“-Leitlinie effektiv selbst helfen.

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Egal ob Sie joggen, skaten, schwimmen oder wandern: Falscher Ehrgeiz oder ein unglücklicher Tritt können leicht zu Verletzungen am Bewegungsapparat führen. Erste Hilfe bei Sportverletzungen bietet die „PEACE & LOVE“-Leitlinie (nach Dubois und Esculier 2019).

PEACE

Sportverletzung Knöchel 2 - Es wird empfohlen, eine Bandage anzubringen und den verletzten Fuß hochzulagern. - © Shutterstock
Es wird empfohlen, eine Bandage anzubringen und den verletzten Fuß hochzulagern. © Shutterstock

Kurzfristig nach Verletzungen sollte „Frieden“ (PEACE) Ihren Weg begleiten:

  • PROTECT (Schutz)
    Um weitere Blutungen zu minimieren oder eine Dehnung verletzter Fasern zu verhindern, sollten Sie das Gewebe für ein bis drei Tage entlasten oder Bewegungen einschränken. Die Ruhezeit sollte kurz gehalten werden, da eine längere Schonphase die Festigkeit und Qualität des Gewebes beeinträchtigen kann. Verlassen Sie sich auf Schmerzsignale, um in der Schutzphase die Belastung zu steuern.
  • ELEVATE (Hochlagern)
    Lagern Sie die verletzten Gliedmaßen höher als das Herz, um den Abfluss der Zwischenzellflüssigkeit aus dem Gewebe zu fördern und zu beschleunigen. Die Wirksamkeit dieser Maßnahme ist zwar nicht geklärt, aufgrund des niedrigen Risiko-Nutzen-Verhältnisses wird sie aber empfohlen.
  • AVOID (Vermeiden entzündungshemmender Modalitäten)
    Entzündungshemmende Medikamente können sich nachteilig auf die langfristige Heilung des Gewebes auswirken. Die verschiedenen Entzündungsphasen tragen zur optimalen Regeneration des Weichgewebes bei. Die Hemmung eines so wichtigen Prozesses mit pharmakologischen Mitteln wird nicht empfohlen, da das die Heilung des Gewebes beeinträchtigen könnte – insbesondere, wenn eine höhere Dosis eingenommen wird. Ähnliches gilt bei der Kältetherapie. Obwohl sie weit verbreitet ist, gibt es keine hochwertige Evidenz für ihre Wirksamkeit bei Weichteilverletzungen. Selbst wenn Eis analgetisch wirkt, kann es eine biopositive Entzündung stören und die Gefäßbildung und Wiederherstellung der Durchblutung verzögern. Und das kann zu einer Beeinträchtigung der Geweberegeneration führen.
  • COMPRESS (Kompression)
    Eine Kompression mittels Bandagen hilft Ödeme und Gewebeblutungen zu minimieren. Trotz widersprüchlicher Studien scheint die Kompression nach einer Knöchelverletzung die Schwellung zu reduzieren und die Lebensqualität zu verbessern.
  • EDUCATE (Aufklären)
    Über die Vorteile eines aktiven Ansatzes zur Genesung sollte aufgeklärt werden. Passive Interventionen nach einer Verletzung, wie Elektrotherapie oder manuelle Therapie, haben im Vergleich zu einem aktiven Ansatz lediglich triviale Effekte. Diese Interventionen können auf lange Sicht sogar kontraproduktiv sein. Der Gedanke, „repariert werden zu müssen“, kann eine Abhängigkeit von Therapeuten hervorrufen und damit ein bedeutendes „Nocebo“ sein. Eine optimale Aufklärung über das Belastungsmanagement trägt zur Vermeidung von Überbehandlung bei. Von dieser wird nämlich angenommen, dass sie die Wahrscheinlichkeit von Injektionen oder Operationen steigert. Bei Heilung nach Verletzung gibt es keine Magie, nur Physiologie.

LOVE

Bewegung Spaziergang - Nach kurzer Schonungszeit ist es am besten, seinen Alltag wieder aufzunehmen. Wichtig ist dabei, Schmerzen zu vermeiden und sich nicht zu überfordern. - © Shutterstock
Nach kurzer Schonungszeit ist es am besten, seinen Alltag wieder aufzunehmen. Wichtig ist dabei, Schmerzen zu vermeiden und sich nicht zu überfordern. © Shutterstock

Nach dem „Frieden“ (PEACE) möchte das Gewebe „Liebe“ (LOVE):

  • L = LAST
    Ein aktiver Ansatz mit Bewegung und Training wird für die allermeisten Verletzungen empfohlen. Mechanischer Stress (Belastung) sollte frühzeitig stattfinden und Aktivitäten des täglichen Lebens so früh wie möglich aufgenommen werden. Eine optimale Belastung ohne Schmerzen zu verursachen, fördert die Reparatur, die Gewebetoleranz und die Leistungsfähigkeit von Sehnen, Muskeln und Bänder
  • O = OPTIMISMUS
    Psychologische Faktoren wie Depression und Angst können die Erholung behindern. Pessimistische Erwartungen gehen auch mit schlechteren Ergebnissen und schlechteren Prognosen einher. Deshalb wird ein realistischer Optimismus empfohlen.
  • V = VASKULARISIERUNG (Blutzufuhr)
    Herz-Kreislauf-Training ist ein Eckpfeiler der Behandlung von Verletzungen am Bewegungsapparat. Während die Intensität der Belastung nicht geklärt ist, sollte einige Tage nach der Verletzung eine schmerzfreie kardiovaskuläre Aktivität eingeleitet werden, um die Motivation zu erhöhen und den Blutfluss zu den verletzten Strukturen zu fördern. Eine frühzeitige Mobilisierung und aerobe Übungen verbessern die Funktion und reduzieren den Bedarf an Schmerzmitteln.
  • E = ÜBUNGS-/TRAININGSTHERAPIE
    Übungen können helfen, Beweglichkeit und Kraft nach einer Verletzung frühzeitig wiederherzustellen. Schmerzen sollten vermieden werden, um eine optimale Reparatur in der Erholungsphase zu gewährleisten. Ähnlich wie bei anderen Verletzungen sollte das Management auf langfristige Ergebnisse abzielen und nicht nur auf kurzfristige Schadenskontrolle. Wie bei anderen Problemen auch, sollte der „Mensch mit der Verletzung“ und nicht die „Verletzung des Menschen“ behandelt werden.

Autor Kacheata Eath ist Physiotherapeut und Erfinder des Ganzkörperkonzepts Sensofit in Wien. Weitere Infos gibt es unter www.leibesuebung.at.