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Egal, ob der Auslöser eine kleine Blase am Finger, ein Migräneanfall oder eine ernsthafte Erkrankung ist: Schmerzen sind nie angenehm. Gerade, wenn sie zu einem dauerhaften Begleiter werden, können sie die Lebensqualität beträchtlich einschränken. Schmerzen erfüllen jedoch auch eine äußerst wichtige Schutzfunktion.

Was ist Schmerz?

Die Weltschmerzorganisation IASP (= International Association for the Study of Pain) definiert den Begriff Schmerz als "unangenehmes Sinnes- oder Gefühlserlebnis, das mit einer aktuellen oder potenziellen Gewebeschädigung einhergeht oder mit Begriffen einer solchen Schädigung beschrieben wird."

Schmerzen sind quasi eine Art Frühwarnsystem des menschlichen Körpers und haben grundsätzlich eine nützliche, schützende und mitunter sogar lebensrettende Funktion. Jeder kennt das klassische Beispiel vom Kind, das zum ersten Mal auf die heiße Herdplatte greift. Das akute Schmerzempfinden führt dann dazu, dass der Körper reflexartig reagiert und die Hand zurückgezogen wird. Durch diese Reaktion wird ein größerer körperlicher Schaden abgewendet und das Kind erlernt, dass es gefährlich ist, auf eine heiße Herdplatte zu greifen.

Darüber hinaus können Schmerzen auch frühzeitig auf Erkrankungen oder Verletzungen aufmerksam machen, die ohne die Schmerzempfindung möglicherweise unentdeckt geblieben wären. Ein Leben ohne Schmerz ist also höchstens auf den ersten Blick wünschenswert, in Wirklichkeit würde dem menschlichen Körper dann eine seiner wichtigsten Schutzfunktionen abhanden kommen.

Wie entstehen Schmerzen?

Die Schmerzempfindung im menschlichen Körper erfolgt über bestimmte Sinneszellen, sogenannte Nozizeptoren. Diese reagieren auf schmerzauslösende Reize wie Temperaturen, Druck oder Gewebeschädigungen und leiten den Schmerzreiz zunächst ans Rückenmark und danach ans Stammhirn weiter. Im Gehirn entsteht schließlich das unangenehme Schmerzempfinden, durch das signalisiert wird, dass eine Gewebeschädigung im Körper stattgefunden hat oder stattfinden könnte.

Die Folge ist, dass sofort eine angemessene Reaktion auf den Schmerzreiz eingeleitet wird, die den Körper vor einer (weiteren) Schädigung bewahren soll: Die Hand wird - wie im oben genannten Beispiel - blitzschnell von der heißen Herdplatte zurückgezogen oder der Fuß weicht sofort zurück, sobald man auf etwas Spitzes tritt.

Im Verlauf der Stressreaktion kann das Schmerzempfinden in akuten Fällen durch die Ausschüttung von Endorphinen kurzfristig herabgesetzt werden. Dieser Mechanismus sorgt dafür, dass wir trotz einer Verletzung (zum Beispiel in Folge eines Unfalles) handlungsfähig bleiben und eine erhöhte Aufmerksamkeit für die Extremsituation gewährleistet ist.

Was ist das Schmerzgedächtnis?

Starke und lang andauernde Schmerzreize können dafür sorgen, dass die Nervenzellen, die die Schmerzen verarbeiten und weiterleiten, zunehmend sensibilisiert werden. Als Folge kann sich der Schmerz quasi verselbständigen. Es reichen dann oft schon kleinste Reize (z.B. leichte Berührungen, leichter Druck oder mäßige Hitze) aus, um die Schmerz-Erfahrung herbeizuführen. In manchen Fällen tritt der Schmerz auch dann immer wieder auf, wenn die eigentliche körperliche Ursache bereits beseitigt ist. Diesen Prozess der Verselbständigung von Schmerzen nennt man auch Schmerzgedächtnis. Das Schmerzgedächtnis lässt sich zwar nicht einfach wieder löschen, es gibt jedoch mittlerweile einige vielversprechende Therapieansätze, um es "umzuprogrammieren".

Arten von Schmerzen

Schmerzen können anhand ihres jeweiligen Entstehungsmechanismus in verschiedene Kategorien eingeteilt werden. Häufig werden dabei die folgenden vier Schmerzarten unterschieden:

  • Nozizeptive Schmerzen (Rezeptorschmerzen)Diese Art von Schmerzen geht von Schmerzrezeptoren (Nozizeptoren) aus, die die Schmerzsignale an das Gehirn weiterleiten. Nozizeptive Schmerzen werden durch Schädigungen im Gewebe oder an Organen hervorgerufen und können - je nach Ursache - brennend, stechend oder pochend sein. Die Auslöser für diese Schmerzart sind vielfältig. Zu ihnen gehören unter anderem Verletzungen, postoperative Schmerzen, Gelenkerkrankungen (z.B. Rheuma), Tumorschmerzen oder Entzündungen. Die meisten Schmerzen fallen in diese Kategorie.
  • Neuropathische Schmerzen (Nervenschmerzen)Neuropathische Schmerzen werden durch eine direkte Schädigung von Nerven ausgelöst. Typische Beispiele sind etwa Phantomschmerzen (Schmerzempfindung in einer amputierten Gliedmaße) oder die sogenannte Post-Zoster-Neuralgie nach einer Gürtelrose.
  • Noziplastische SchmerzenNoziplastische Schmerzen entstehen aufgrund einer veränderten Schmerzwahrnehmung. Es liegt dabei weder eine Gewebeschädigung noch eine Schädigung von Nervenfasern vor. Ein Beispiel für diese Schmerzart ist die Fibromyalgie.
  • Gemischte Schmerzen ("Mixed Pain")Bei chronischen Schmerzen (siehe unten) gibt es häufig mehr als nur eine zu Grunde liegende Schmerzart. Wenn sowohl Rezeptorschmerzen als auch Nervenschmerzen als Auslöser vermutet werden, spricht man in der Fachwelt von gemischten Schmerzen (oft wird auch die englische Bezeichnung "Mixed Pain" verwendet). Zu dieser Kategorie zählen beispielsweise chronische Rückenschmerzen nach einem Bandscheibenvorfall.

Akute und chronische Schmerzen

Hinsichtlich ihrer Dauer können Schmerzen in akute und chronische Schmerzen eingeteilt werden.

Unter einem akuten Schmerz versteht man einen zeitlich begrenzten Schmerz, der signalisiert, dass der Körper eine Verletzung oder Schädigung erlitten hat. Er dient als Warnsignal und erfüllt eine wichtige biologische Schutzfunktion. Akute Schmerzen sind meistens Rezeptorschmerzen, sie können jedoch auch neuropathisch sein. Häufige Ursachen für akute Schmerzen sind zum Beispiel Verletzungen, Operationen sowie akute Erkrankungsstadien. Mit Fortschreiten des Heilungsprozesses der auslösenden Verletzung oder Schädigung klingen die Schmerzen ab.

Im Gegensatz dazu ist der chronische Schmerz ein zeitlich länger andauernder Schmerz (mindestens drei Monate), der über die biologische Schutzfunktion hinausgeht und oft keine klar erkennbare Ursache hat. Man verwendet in diesem Zusammenhang auch den Begriff Schmerzkrankheit oder Schmerzsyndrom, weil der Schmerz selbst das dominierende Symptom der Beschwerden ist und sich zu einem eigenständigen Krankheitsbild entwickelt. Häufig sind die Betroffenen in ihrer Lebensqualität beeinträchtigt. Beispiele für chronische Schmerzerkrankungen sind etwa Arthrose, Rheuma, Diabetes mellitus, Fibromyalgie sowie chronische Kopf- und Rückenschmerzen.

Chronische Schmerzen: Zahlen

Nach Angaben der österreichischen Schmerzgesellschaft leiden hierzulande mindestens 1,5 Millionen Menschen an chronischen Schmerzen. Von den Betroffenen leiden (laut dem Schmerzbericht Wien 2018) 47 % an Rückenschmerzen, 43 % klagen über Schmerzen in den Gelenken. Dahinter folgen Migränekopfschmerzen (15 %) und Beinschmerzen (14 %).

Die am häufigsten genannten Ursachen für chronische Schmerzen sind Arthrose/Arthritis (34 %), Bandscheiben- und Wirbelsäulenschäden (21 %) und traumatische Verletzungen/Unfallfolgen (12 %).

Diagnose von Schmerzen

Schmerz ist eine subjektive Wahrnehmung, die unter anderem auch von biologischen, psychologischen und sozialen Faktoren beeinflusst wird. Er lässt sich nicht objektiv messen. Aus diesem Grund erfolgt die "Schmerzmessung" oft anhand der subjektiven Einschätzung des Patienten/der Patientin selbst. Ein ausführliches Gespräch (Anamnese) zwischen Patient:in und Arzt/Ärztin, bei dem unter anderem Schmerzstärke, Schmerzlokalisation und Schmerzcharakter (z.B. "stechend", "brennend", "dumpf") erfragt werden, ist deshalb von besonderer Bedeutung für die Schmerzdiagnostik.

Hilfsmittel bei der Schmerzdiagnostik

Hilfreich für die Diagnostik von Schmerzen ist unter anderem auch die Verwendung diverser Schmerzskalen. In der Regel werden die Schmerzpatient:innen dabei gebeten, die Schmerzstärke auf einer Skala von 0 (= kein Schmerz) bis 10 (= stärkster vorstellbarer Schmerz) einzuordnen. Bei Kindern werden anstatt von Zahlen häufig visuelle Hilfsmittel herangezogen - beispielsweise eine Auswahl von Gesichtern (Smileys), die verschiedene Gesichtsausdrücke (von eher entspannt bis schmerzverzerrt) zeigen.

Auch Schmerzfragebögen bzw. Schmerztagebücher können nützliche Hilfsmittel sein, um die Schmerzsymptomatik genauer zu erfassen. Mit beiden Methoden können Informationen zur Häufigkeit, Intensität und Dauer der Schmerzen festgehalten und analysiert werden.

Schmerz und Psyche

Die Zusammenhänge zwischen Schmerz und Psyche sind vielfältig. Einerseits stellen Schmerzen oft eine große Belastung für die Psyche dar, andererseits spielen mentale Faktoren eine wichtige Rolle bei der Schmerzwahrnehmung und dem Umgang damit.

Nicht selten gehen Depressionen und Schmerzen Hand in Hand. Auch Stress spielt bei der Entstehung von chronischen Schmerzen häufig eine Rolle. Mitunter entwickeln Patient:innen eine immer größere Angst vor den Schmerzen und richten ihre gesamte Wahrnehmung darauf aus. Dies führt zu einer Senkung der Schmerzschwelle, das Schmerzempfinden setzt nun schneller ein.

Die Folge ist ein Schmerzkreislauf, bei dem die psychischen Einflüsse einerseits die chronischen Schmerzen aufrechterhalten und verstärken. Andererseits führen die chronischen Schmerzen zu einer immer stärkeren Belastung der Psyche. Durch diese Wechselwirkung kann die Lebensqualität zunehmend eingeschränkt werden, negative Auswirkungen auf das Privat- und Berufsleben können die Folge sein.

Umgekehrt können sich positive Gedanken und Gefühle schmerzlindernd auswirken. Ist das Schmerzempfinden beispielsweise mit dem Glücksgefühl einer sportlichen Höchstleistung verbunden, nimmt man den Schmerz weniger wahr, als wenn er aufgrund eines ärgerlichen Missgeschickes auftritt. Auch bei einer Geburt hilft die Freude über das Mutterglück dabei, die starken Schmerzen besser auszuhalten.

Behandlung von Schmerzen

Zur Behandlung von Schmerzen steht eine Reihe bewährter Methoden zur Auswahl. Speziell bei der Therapie von komplexeren chronischen Schmerzen hat sich ein ganzheitlicher Behandlungsansatz, bei dem mehrere Komponenten miteinander verknüpft werden, als sinnvoll erwiesen. Diese Herangehensweise bezeichnet man auch als "interdisziplinär-multimodale Schmerztherapie" (IMST).

Schmerzmittel (Analgetika)

Schmerzmittel (Analgetika) sind die wichtigsten Arzneimittel, die bei der Behandlung von Schmerzen zum Einsatz kommen. Grundsätzlich kann man diese Stoffe je nach Wirkstärke in nicht-opioide Analgetika, zu denen auch NSAR (nichtsteroidale Antirheumatika) gehören, sowie in Opioid-haltige Schmerzmittel einteilen.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt zur Behandlung von Schmerzen das Vorgehen nach einem Stufenschema. Durch dieses soll gewährleistet werden, dass jedem Patienten/jeder Patientin eine adäquate Therapie zu Teil wird und eine Chronifizierung der Schmerzen vermieden wird. In der Regel beginnt die Behandlung bei Stufe 1 des Schemas und kann bei unzureichender Wirksamkeit bis zu Stufe 3 gesteigert werden:

  • Stufe 1 - nicht-opioide Analgetika:Bei leichten bis mäßig starken Schmerzen empfiehlt die WHO den Einsatz von nicht-opioiden Analgetika. Zu dieser Gruppe gehören alle Wirkstoffe, die schmerzstillend wirken, ihre Wirkung jedoch nicht durch Bindung an sogenannte Opioidrezeptoren entfalten. Bekannte Vertreter dieser Arzneimittelgruppe sind zum Beispiel Paracetamol, Ibuprofen oder Acetylsalicylsäure. Viele dieser Schmerzmittel sind rezeptfrei in der Apotheke erhältlich.
  • Stufe 2 - schwache Opioide:Verschafft der Einsatz von nicht-opioiden Analgetika nicht die gewünschte Linderung, können schwache Opioide eingesetzt werden. Opioide sind verschreibungspflichtige Schmerzmittel, die vor allem im zentralen Nervensystem (konkret an den Opioidrezeptoren) wirken und dort Schmerzsignale unterdrücken. Zu den schwächer wirksamen Opioiden zählen beispielsweise die Arzneistoffe Tramadol und Tilidin. Sie werden in der Regel bei mittelstarken Schmerzen eingesetzt.
  • Stufe 3 - starke Opioide:Diese Wirkstoffe kommen bei starken Schmerzen zum Einsatz, die mit Medikamenten der Stufen 1 und 2 nicht ausreichend behandelt werden können. Zu dieser Gruppe gehören Mittel wie Morphin, Fentanyl oder Oxycodon.

Andere Formen der Schmerztherapie

  • Physikalische Therapie:Zu den physikalischen Therapien zählen Behandlungen, die (physikalische) Einflüsse wie Druck, Wärme, Kälte oder Elektrizität nutzen, um auf den Körper einzuwirken. Durch die Therapie sollen Schmerzen gelindert und die Bewegungsfähigkeit erhöht werden. Zu den am weitesten verbreiteten physikalischen Therapien gehören Massagen, Behandlungen mit Strom oder Ultraschall, Wärme- und Kältebehandlungen oder auch Wasseranwendungen.
  • Physiotherapie (Bewegungstherapie):Als ergänzende Therapieform kommen häufig auch physiotherapeutische Maßnahmen zum Einsatz. Dabei werden - meist unter der Anleitung eines Physiotherapeuten oder einer Physiotherapeutin - verschiedene körperliche Übungen durchgeführt. Auch hier ist das Behandlungsziel, die Schmerzen zu lindern und die Beweglichkeit zu erhöhen.
  • Akupunktur:Bei dieser alternativen Behandlungsmethode bringt der Therapeut/die Therapeutin feine Nadeln an, wodurch die Schmerzen gelindert werden sollen.
  • Psychologische Schmerztherapie:Hierzu zählen Behandlungsmethoden wie Entspannungstechniken, Verhaltenstherapie oder Psychoanalyse. Durch die enge Verbindung zwischen Schmerz und Psyche sind diese Ansätze oft auch im Zuge einer Schmerztherapie sinnvoll.

Was Sie selbst tun können

Wir haben für Sie ein paar kurze Tipps gesammelt, die das Leben mit chronischen Schmerzen erleichtern können:

  • Lassen Sie sich bestmöglich beraten z.B. in einer speziellen Schmerzambulanz
  • Bleiben Sie in BewegungBewegung ist wichtig, um körperlich mobil und fit zu bleiben. Sie steigert außerdem das psychische Wohlbefinden und kann sich so günstig auf die Schmerzsymptomatik auswirken. Beraten Sie sich mit Ihrem Arzt/Ihrer Ärztin, welche körperlichen Aktivitäten für Sie am besten wären.
  • Reduzieren Sie Belastungen aus dem AlltagStress und Schmerz gehen oft Hand in Hand. Versuchen Sie, Ihre Aufgaben im Alltag zu reduzieren bzw. besser zu verteilen und lassen Sie sich dabei ruhig von Ihrem Umfeld unterstützen.
  • Führen Sie ein SchmerztagebuchEin Schmerztagebuch hilft dabei, Informationen zur Häufigkeit, Intensität und Dauer der Schmerzen zu sammeln. Gemeinsam mit einem Mediziner/einer Medizinerin können diese Beobachtungen dann in die Schmerztherapie eingebunden werden.
  • Erlernen Sie EntspannungstechnikenEntspannungstechniken verbessern Ihre Selbstkontrolle und mindern so das Gefühl, dem Schmerz ausgeliefert zu sein. Sie können außerdem dabei helfen, den Teufelskreis aus Schmerz und Verspannung zu durchbrechen, indem sie für körperliche und geistige Beruhigung sorgen.
  • Suchen Sie den Austausch mit anderen Schmerzpatient:innenz.B. in Selbsthilfegruppen (siehe unten)