Wir alle haben es schon erlebt: Wir wachen in der Nacht auf und die Hände sind eingeschlafen und taub. Und das ist oft sehr unangenehm und tut weh. Meist sind wir halt nur schlecht auf dem Arm gelegen. Durch Bewegen und Schütteln der Hand kommt das Gefühl rasch wieder. Alles ist vorbei. Doch bei vielen Menschen treten solche Beschwerden häufig auf, auch tagsüber, und vergehen leider nicht mehr. Dann sind vermutlich Nerven beleidigt, und das muss schnell behandelt werden.

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Schmerzen in unserem Körper haben verschiedenste Ursachen. So lösen Entzündungen und Verletzungen unseres Bewegungsapparates so gut wie immer Schmerzen aus, die sich dann als schmerzhafte Gelenke, Muskeln oder Sehnen darstellen.

Häufig werden Schmerzen durch Schädigungen von Nerven hervorgerufen. Da unsere Nerven für das Schmerzempfinden verantwortlich sind und den Schmerz weiterleiten, werden Nervenschmerzen oft als besonders qualvoll erlebt.

Chronischen Nervenschmerzen sind weitverbreitet. Nur die wenigsten werden aber adäquat von einem Spezialisten behandelt. Das bedeutet einen oft jahrelangen schmerzvollen Weg, bis endlich die richtige Diagnose gestellt wird. Die Lebensqualität der Betroffenen ist stark reduziert.

Grundsätzlich können alle Nerven in unserem Körper betroffen sein. Das Karpaltunnelsyndrom ist aber ein sehr häufiger Nervenschmerz.

Eine Nerven-Einengung

Das Karpaltunnelsyndrom (KTS) ist ein typisches Nervenkompressionssyndrom. Frauen sind etwa dreimal häufiger als Männer davon betroffen. Beim KTS wird der Nervus Medianus im Bereich der Handwurzel eingeengt, was Beschwerden verursacht. Unter dem Karpaltunnel kann man sich eine tunnelförmige Röhre vorstellen, in der Nerven, Sehnen und Blutgefäße vom Unterarm zur Hand laufen. Damit werden Bewegungen unserer Finger aber auch das Gefühl und Durchblutung gesteuert.

Warten Sie nicht lange und gehen Sie zum Arzt

Wird dieser Kanal durch Verletzungen, Entzündungen, Infektionen oder durch laufende Überbelastung geschädigt und verengt, kommt es zu typischen Symptomen. Die Hände oder einzelne Finger schlafen ein. Am stärksten spürt man das Einschlafen im Daumen, Zeige- und Mittelfinger, manchmal auch auf der dem Daumen zugewandten Seite des Ringfingers. Diese Finger werden nämlich durch den Nervus Medianus versorgt.

Wird gleichzeitig auch ein zweiter im Karpaltunnel laufender Nerv, der Nervus Ulnaris, eingeengt, dann finden sich die Gefühlstörungen und Schmerzen vor allem im Ringfinger und im kleinen Finger.

Zusätzlich stellen sich ein Gefühl des „Ameisenlaufens“ und ein Kribbeln ein. Schmerzen treten zuerst vorwiegend nachts und bei Belastung auf und strahlen auch in den Unterarm aus. Später kommt es zu einem sichtbaren Muskelschwund im Bereich des Daumenballens, zu Störungen der Feinmotorik und einer Schwäche in der Hand. Feine genaue Arbeiten und ein festes Zupacken und Greifen sind nicht mehr möglich. Die Schmerzen dauern dann oft den ganzen Tag an.

Ursachen und Diagnose

Der erfahrene Arzt kann meist schon anhand der klassischen Beschwerden die Diagnose stellen. Durch Klopfen auf den Karpaltunnel oder starkes Beugen und Überstrecken des Handgelenks werden nach ca. einer Minute Gefühlsstörungen und Schmerzen ausgelöst.

Allerdings sollte die Diagnose immer durch eine Messung der Nervenleitgeschwindigkeit bestätigt werden. Dabei wird die Schnelligkeit von elektrischen Impulsen in den betroffenen Nerven zwischen Handgelenk und Daumenballen gemessen. Und das am besten immer im Seitenvergleich zur gesunden Hand. Werden die Nervenimpulse langsam weitergeleitet, dann gilt die Diagnose des KTS als gesichert. Zum Nachweis von Entzündungen im Handgelenksbereich werden zusätzlich Ultraschalluntersuchungen und Magnetresonanztomographien eingesetzt.

Das Karpaltunnelsyndrom kann isoliert ohne erkennbare Ursache auftreten. Doch sehr häufig wird das KTS durch Entzündungen in den Handgelenken wie der chronischen Polyarthritis oder der Psoriasisarthritis ausgelöst. Auch Weichteilrheumatismus wie die Fibromyalgie oder Sehnenscheidenentzündungen führen gerne zu einem KTS. Stoffwechselerkrankungen wie Gicht, Diabetes, eine Unterfunktion der Schilddrüse, Vitamin B-Mangel, Schwangerschaft und ständige Überlastung des Handgelenks beim Benützen von Gehstöcken sind weitere Verursacher des KTS.

Ähnliche Schmerzen und Gefühlsstörungen wie bei KTS können durch Erkrankungen der Halswirbelsäule, durch Schädigungen des Rückenmarks (Verletzungen, Multiple Sklerose, Tumore) oder der Rückenmarksnerven (vor allem Nervenwurzel C6) hervorgerufen werden. Selbst bei starken Muskelverspannungen im Nackenbereich berichten die Betroffenen oft über eingeschlafene Hände. Auch eine starke Abnützung des Daumensattelgelenks (Rhizarthrose) löst Beschwerden wie beim KTS aus, wird aber anders therapiert.

So wird behandelt

Karpaltunnelsyndrom Schiene - Nächtliche Schienen für das Handgelenk und spezielle Stützverbände beim Arbeiten sollen den Karpaltunnel entlasten. - © Shutterstock
Nächtliche Schienen für das Handgelenk und spezielle Stützverbände beim Arbeiten sollen den Karpaltunnel entlasten. © Shutterstock

Bei leichten Beschwerden sollte anfänglich immer konservativ behandelt werden. Physikalische Therapien wie Elektrobehandlungen, Zellbäder und Ultraschall für das Handgelenk helfen genauso wie heilgymnastische Übungen. Zusätzlich können Schmerzpflaster auf das Handgelenk aufgeklebt werden. Auch lokale Kälteanwendungen wie Eisbeutel lindern akute Schmerzen.

Bewährt haben sich lokale Injektionen von schmerz- und entzündungshemmenden Medikamenten direkt in den Karpaltunnel. Diese Infiltrationen werden mit einer ganz dünnen Nadel vorsichtig durchgeführt und führen oft zu einer raschen Besserung. Zusätzlich hilft die Verabreichung hochdosierter Vitamine (vor allem Vitamin B-Komplex).

Wird das KTS durch andere Erkrankungen wie eine Gelenksentzündung oder Sehnenüberlastung ausgelöst, muss natürlich auch die Grunderkrankung mit geeigneten Maßnahmen behandelt werden.

Wann wird operiert?

Stellt sich mit allen konservativen Behandlungen kein ausreichender Erfolg ein, kann die Engstelle im Karpaltunnel, die auf den Nerven drückt, operativ gelöst werden. Je schlechter das Ergebnis bei der Nervenleitgeschwindigkeit, desto rascher sollte man sich zu einer Operation entschließen. Dieser Eingriff wird oft ambulant durchgeführt. Meist genügt eine Betäubung des Armnervs in der Achselhöhle, eine Vollnarkose ist nur selten erforderlich.

Wenn Sie also einige Wochen an eingeschlafenen Händen, einem Kribbeln oder Schmerzen in den Fingern leiden, sollten Sie rasch einen Spezialisten aufsuchen. Denn vor allem durch eine rechtzeitige Behandlung kann man die Beschwerden wieder zum Verschwinden bringen.

Autor: Dr. Thomas Schwingenschlögl