Zeitmangel, Arbeitslast, Leistungsdruck – Schlagworte, die leider vielen Österreicher:innen allzu vertraut sind. Oft werden Warnsignale übergangen, nach dem Motto: Zähne zusammenbeißen. Dauerstress kann zu Burn-out führen – doch wie kommt man aus dem Hamsterrad wieder heraus?

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Jede/r empfindet Stress anders. Unruhe, Herzklopfen, Nervosität, Schlafstörungen, Magen- und Verdauungsbeschwerden, Angstgefühle und Schweißausbrüche sind individuelle Reaktionen des Körpers auf Stresssituationen. Eigentlich ist Stress nützlich.

In Zeiten der Jäger und Sammler war Stress ein überlebenswichtiger Mechanismus. Als Antwort auf einen Stressimpuls reagiert der Körper mit der Produktion eines Hormoncocktails, vor allem Adrenalin und Cortisol. Blutdruck und Puls steigen, Blut strömt in die Muskulatur von Armen und Beinen, „unnötige“ Energieverbraucher wie die Verdauung werden zurückgefahren, das Schmerzempfinden wird herabgesetzt. Dies diente in der Steinzeit dazu, Bedrohungen zu meistern, z. B. durch Flucht oder Kampf. Nach gemeisterter Anspannung kam die Entspannung. Bei dem modernen Menschen sind die gleichen Prozesse am Werk. Durch den hektischen Lebensstil heutzutage leiden viele Menschen unter Dauerstress. Bleiben die notwendigen Entspannungsphasen aus, können die Stresshormone krank machen.

Eigenständige Krankheit

Bereits in den 1970er-Jahren wurde Burn-out erstmals beschrieben. Der New Yorker Psychoanalytiker Herbert J. Freudenberger beobachtete folgende Symptome bei seinen ausgebrannten Kolleg:innen: Stimmungsschwankungen, Niedergeschlagenheit, Schlafstörungen, Konzentrationsschwächen.

Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat erst vor wenigen Jahren Burn-out als eigenständige Krankheit anerkannt. Es handelt sich um einen Belastungszustand aufgrund von „chronischem Stress am Arbeitsplatz, der nicht erfolgreich verarbeitet wird“. Damit wurde eine jahrzehntelange Debatte der Definition beendet. Expert:innen sehen drei Dimensionen der Krankheit: ein Gefühl von Erschöpfung, zunehmende geistige Distanz oder negative Haltung zum eigenen Job sowie verringertes berufliches Leistungsvermögen. Die WHO weist besonders darauf hin, dass der Begriff Burn-out ausschließlich im beruflichen Zusammenhang steht.

Behandlung und Tipps

Entspannungstechniken wie zum Beispiel Progressive Muskelentspannung nach Jacobson, Autogenes Training und Meditation können helfen. Atmung und Stress stehen in direkter Verbindung. Das Problem ist, dass wir oft „falsch“ atmen, nämlich zu flach, zu kurz und zu schnell. Auch Bewegung und an die frische Luft gehen sind Stress-Killer. Moderates Training baut die innere Anspannung ab und reduziert den Cortisolspiegel. Draußen in der Natur wird das Gehirn zudem mit Sauerstoff versorgt und der Kopf wird frei. Achten Sie außerdem darauf, genug zu trinken. Wasser sorgt für die Weiterleitung von Nervenimpulsen und hilft dabei, Stressreize zu verarbeiten. Eine gesunde, kohlenhydratarme Ernährung und eine ausreichende Zufuhr von B-Vitaminen sind ebenfalls wichtig.

Pflanzliche Wirkstoffe wie Johanniskraut, Baldrian, Melisse und Hopfen können unterstützend eingesetzt werden. In schweren Fällen können auch Antidepressiva verordnet werden.

Tipp vom Experten: Es kann jede/n von uns treffen

Jens Wolff
Life- & Karriere-Coach aus Wien

Welche Menschen trifft Burn-out?
Vor allem Menschen mit Glaubenssätzen wie z. B.: „Ich muss immer der/die Beste sein“, „Ich darf nie Schwäche zeigen“, „Ich muss immer alles perfekt machen“ etc. Oft sind diese Menschen in Führungspositionen, es gibt aber auch viele Menschen in ganz „normalen“ Angestellten-Positionen, die ins Burn-out rutschen oder kurz davor sind. Meistens glauben sie, dass ihre normale Leistung nicht ausreicht, und denken, sie müssten immer noch mehr geben.

Stichwort Psychohygiene. Was können Sie zum Stressabbau empfehlen?
Nur mit Stressabbau kommt man aus einem Burn-out nicht heraus. Wir müssen tiefer ansetzen, nämlich in der Art, wie wir uns selbst sehen und wie wir über uns selbst denken. Stichwort Glaubenssätze: Wie zuvor erwähnt, meinen viele, nicht gut genug zu sein. Wir müssen daher unser Selbstbild anpassen und uns von diesen Glaubenssätzen lösen. Natürlich ist das Thema Stressabbau zentral, um mit einer guten Balance durchs Leben zu gehen. Hier reicht nicht das jährliche Retreat, wir brauchen laufend Zeiten, um zu entspannen und unser Nervensystem wieder runterzufahren. Körperliche Entspannung mit Sport, Yoga, Pilates oder mentale z. B. mit Meditation – am besten ist eine Kombination aus beidem. Auch Atemübungen sind gut und wichtig. Eine andere Technik, die ich sehr gerne nutze, ist die Visualisierung. Nehmen Sie sich einen Moment Zeit, Ihre Herausforderungen bildlich darzustellen (z. B. abstrakte Bilder) und spüren Sie, wo diese sind. Nehmen sie nun diese Anforderungen und platzieren Sie sie bewusst so, dass Sie sie vor sich sehen können, in einer Distanz, in der sie sich gut anfühlen. Das hilft, sie als Ziel und als Verbündete zu sehen.

Mit welchen Mythen zum Thema Burn-out würden Sie gerne aufräumen?
Leider wird Burn-out mittlerweile oft als etwas Normales gesehen. In manchen Branchen wird das Syndrom geradezu als Auszeichnung betrachtet. Nein, ein Burn-out ist weder etwas Erstrebenswertes, noch zeigt es besonderen Einsatz. Die Zeit kurz vor dem Burn-out ist alles andere als produktiv. Zweitens, es ist auch keine Sache, für die man sich schämen müsste. Es kann jede/n von uns treffen.