Geräusche, Gerüche oder viele Menschen ... Hochsensible nehmen ihre Umwelt besonders intensiv wahr. Gewisse Gehirnareale arbeiten anders; Betroffene sind jedoch weder psychisch krank noch ist ihre Sensitivät zwangsläufig etwas Schlechtes.

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In vielen Fällen wissen Betroffene gar nicht, warum sie anders als andere Menschen auf Dinge reagieren, sie sich von Geräuschen, Gerüchen oder auch anderen Menschen so gestresst fühlen. Der Ausdruck „Hochsensibilität“ geht auf Forschungen der Psychologin Elaine N. Aron und den von ihr verwendeten Begriff „Highly Sensitive Person“ zurück. Sie untersuchte das Temperamentsmerkmal der so-genannten sensorischen Verarbeitungssensitivität. Diese Eigenschaft wird als Sensitivität bezeichnet und beschreibt die Empfindsamkeit eines Menschen in der Reizwahrnehmung. Wichtig dabei: Bei Hochsensibilität handelt es sich um keine psychische Störung. Laut Schätzungen sind 15–20 % der Bevölkerung hochsensibel.

Ursachen und Merkmale 

Bisherige Forschungsarbeiten zeigen, dass eine genetische Veranlagung als Ursache eine Rolle spielt. Durch Untersuchungen der Hirnforschung konnte zudem gezeigt werden, dass Prozesse der Reizverarbeitung im Gehirn von Hochsensiblen gesteigert sind. Besonders Regionen des Neokortex, die für die Aufmerksamkeit und Sinneswahrnehmung zuständig sind, sowie der Thalamus, der als Sinnesfilter fungiert, seien betroffen.

Die US-Psychologin Elaine N. Aron spricht in ihren Forschungsarbeiten von vier wesentlichen Merkmalen, die Hochsensibilität kennzeichnen:

  • starke und intensive Reaktion auf äußere Reize
  • Gefühlsreaktionen sind stärker ausgeprägt
  • Details der Umwelt werden bewusster wahrgenommen
  • Sinnesreize werden intensiver verarbeitet

Betroffene haben das Gefühl, von Reizen regelrecht überflutet zu werden und nehmen Emotionen – die von anderen und die eigenen – intensiver wahr. Dadurch kommt es dazu, dass sie reizintensive Situationen eher meiden und sich sozial zurückziehen, weil sie zum Verarbeiten der Reize mehr Ruhepausen brauchen. Beispielsweise nehmen Hochsensible Nebengeräusche viel lauter wahr und können sich dadurch nur schwer oder gar nicht auf das Eigentliche konzentrieren.

Durch die Überforderung und das damit verbundene Zurückziehen werden Hochsensible häufig missverstanden und können als introvertiert, schüchtern und ungesellig gelten. Dabei handelt es sich schlicht und einfach um eine andere, intensivere Reizverarbeitung. Aber es gibt auch jede Menge Vorteile, die auf den ersten Blick gerne übersehen werden. Hochsensible reflektieren sehr viel – sich und die Umwelt. Entscheidungen werden wohl überlegt und keine Schnellschüsse vollzogen, die nachher bereut werden könnten. Sie zeichnen sich außerdem durch eine hohe Empathie aus. Hochsensible Menschen haben ein sehr gutes Gespür, wie es anderen Menschen geht, sie sind einfühlsam und gute Zuhörer:innen.

Annehmen & Grenzen erkennen

Hochsensibilität ist keine Krankheit; dennoch braucht es einen guten Umgang damit, um dauerhaft mental gesund zu bleiben und sich nicht ständig zu überfordern. Für Betroffene ist der erste Schritt, der ihnen Erleichterung verschafft, das Benennen-können. Wer einmal weiß, dass er hochsensibel ist, dass sein Gehirn Reize intensiver verarbeitet, kann darauf reagieren, anstatt sich anders oder gar komisch zu fühlen; die Reaktionen des Körpers können verstanden und angenommen werden.

Das Wichtigste ist, die eigenen Grenzen zu kennen und auf Warnsignale des Körpers zu reagieren, bevor es zu einer Überforderung kommt. Dabei gilt es, dass stressauslösende Situationen nicht völlig gemieden werden sollen, sondern man sich bewusst eine Auszeit gönnt, wenn man merkt, dass es einem zu viel wird. Hier ist auch ein offener Umgang mit dem Thema hilfreich. Durch das Aussprechen, was einen überfordert und stört, kann das soziale Umfeld einen Rückzug anders bewerten, und Missverständnisse wie z. B. das Vermuten von Desinteresse werden aus dem Weg geräumt.

Wird man aufgrund des Verhaltens kritisiert, sollte man versuchen, dies nicht persönlich zu nehmen. Es wird immer wieder Menschen geben, die manche Verhaltensweisen nicht verstehen – sei es, weil man die Party schon nach einer Stunde wieder verlässt oder in der Arbeit die Mittagspause lieber alleine verbringt. Das eigene Wohlbefinden sollte im Vordergrund stehen. Wenn möglich, kann man schon im Vorfeld die Umgebungsbedingungen so anpassen, dass es zu keiner Reizüberflutung kommt – sich bspw. mit Freunden an einem ruhigen Ort treffen.

Zum Stressabbau allgemein sind Sport sowie das Erlernen und regelmäßige Anwenden von Entspannungstechniken, wie z. B. die Progressive Muskelentspannung nach Jacobsen oder Autogenes Training ratsam. Wer sich mit anderen austauschen möchte, findet bei der Österreichischen Kompetenz- und Servicestelle eine bundesweite Übersicht über alle Selbsthilfegruppen. Sollte es zu massiveren psychischen Beeinträchtigungen kommen, ist eine psychologische Behandlung oder Psychotherapie ratsam.