Spermidin hat’s in sich: Es hält unsere Zellen frisch und gesund, kann Alterungsprozesse verlangsamen und steckt in einer Vielzahl von Lebensmitteln.

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Spermi- wie? – Hat das was mit Sperma zu tun?“ – Ja, hat es! Spermidin verdankt seinen Namen tatsächlich der Samenflüssigkeit, in der es in hoher Konzentration vorkommt. Doch auch im Gehirn und fast jeder Körperzelle ist die natürliche Substanz zu finden. Bestimmte Darmbakterien sind sogar in der Lage, Spermidin herzustellen. Spermidin ist ein sogenanntes biogenes Amin. Biogene Amine, zu denen übrigens auch Serotonin und Histamin zählen, sind Botenstoffe, die zahlreiche Aufgaben erfüllen und in menschlichen, tierischen und pflanzlichen Zellen vorkommen.

Was Spermidin für die Wissenschaft so interessant macht, ist seine besondere Funktion im Zellstoffwechsel: Es besitzt die Fähigkeit, die „Müllabfuhr“ der Zellen zu aktivieren. Der medizinische Begriff für das zelleigene Aufräumprogramm lautet „Autophagie“. Bei diesem Reinigungsprozess, der auch durch Fasten ausgelöst wird, werden beschädigte Zellbestandteile abgebaut und entsorgt und die Zelle regeneriert sich. Funktioniert das Recyclingprogramm der Zellen mit zunehmendem Alter nicht mehr so gut, kann sich „Zellmüll“ ablagern, der die Zelle altern lässt und in weiterer Folge zu Krankheiten wie Demenz, Diabetes, Atherosklerose (degenerative Erkrankung der Gefäßwände durch Ablagerung von Cholesterin) oder Tumoren führen kann. Besonders die Demenzforschung beschäftigt sich intensiv mit der Wirkung von Spermidin auf die Denk- und Merkfähigkeit.

Spermidin als Anti-Aging-Mittel

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Im Laufe des Lebens sinkt nicht nur die Fähigkeit der Zellen, sich selbst zu regenerieren, auch die Spermidinkonzentration in den Zellen nimmt ab. Die gute Nachricht: Stellt man dem Körper zusätzliches Spermidin in Form von spermidinhaltigen Lebensmitteln zur Verfügung, kommt die ins Stocken geratene Autophagie wieder ins Laufen. Eine spermidinreiche Ernährung kann die Zellalterung verzögern und das Risiko für altersbedingte Erkrankungen positiv beeinflussen.

Wie groß der Anti-Aging-Effekt einer spermidinreichen Ernährungsweise ist, wurde im Rahmen der sogenannten „Bruneck-Studie“ aufgezeigt, bei der die Ernährungsgewohnheiten der Südtiroler Teilnehmer:innen über 20 Jahre erfasst wurden. Je nach individuellem Speiseplan wurden die Personen in drei Gruppen unterteilt: spermidinreich, mittlerer Spermidingehalt und spermidinarm. Laut Studie hatte die Gruppe mit spermidinreicher Kost eine um fünf bis sieben Jahre längere Lebenserwartung als die beiden anderen Gruppen. Außerdem zeigte die Untersuchung, dass hohe Spermidin-Mengen mit einem Schutz vor Erkrankungen der Gefäße, des Darms und des Nervensystems einhergehen.


Spermidinlevel genussvoll steigern

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Um bestmöglich von den gesundheitsfördernden Wirkungen des Powerstoffes zu profitieren, sollten ausgewählte „Spermidin-Booster“ täglich auf dem Teller landen. Die Umstellung auf eine spermidinreiche Ernährungsweise ist nicht schwer und es ist nie zu spät, damit anzufangen. Wer weiß, worin Spermidin steckt, kann seine Speisen ganz bewusst damit aufwerten. Besonders reich an Spermidin sind pflanzliche Lebensmittel.

Der absolute Star unter den Spermidinlieferanten sind Weizenkeime. Sie sind außerdem reich an B-Vitaminen, Vitamin E, Kalium, Magnesium und der Aminosäure L-Arginin. Früher als Abfallprodukt bei der Mehlherstellung verschmäht, haben sich Weizenkeime in den letzten Jahren zum Superfood gemausert. Um die wertvollen Inhaltsstoffe zu schonen, sollten Weizenkeime am besten kalt verwendet werden, z. B. als Zutat von Müslis, Porridges, Smoothies oder als Topping. Gute Spermidinlieferanten sind auch Pilze wie z. B. Kräuterseitlinge, Champignons, Austernpilze oder Shiitake. Fans der asiatischen Küche sollten öfter zu Kimchi (fermentierter Chinakohl) und Nattō (fermentierte Sojabohnen) greifen, denn auch sie enthalten reichlich Spermidin. Hülsenfrüchte liefern wertvolles pflanzliches Eiweiß, sind ballaststoffreich und versorgen uns zusätzlich mit einer Extraportion des Anti-Aging-Stoffes.

Besonders zu empfehlen sind Sojabohnen, Erbsen und Kichererbsen. Beim Gemüse sind vor allem Brokkoli, Mais, Karfiol, Knollensellerie und Kopfsalat eine gute Wahl. Im Obstkorb führt die Mango die Hitparade der Spermidinquellen an. Doch auch der heimische Apfel, Weintrauben und Melonen haben es in sich. Nüsse sind bekannt für ihre wertvollen, mehrfach ungesättigten Fettsäuren, auch in Sachen Spermidin können einige Sorten punkten, allen voran Kürbiskerne.

Vollkornprodukte sind in vielerlei Hinsicht empfehlenswert, auch als Spermidinlieferanten. Maisgrieß, etwa in Form von Polenta, sollte ebenfalls regelmäßig am Speiseplan stehen. Bei den tierischen Produkten ist mindestens 12 Monate gereifter Cheddar-Käse hervorzuheben. Auch reifer Gouda und Parmesan sind Spermidinquellen, wobei immer gilt: Je reifer der Käse, umso mehr ist enthalten. Fleisch zählt nicht zu den Spitzenreitern. Nennenswerte Mengen liefern am ehesten Hühnerleber, Hühnerfleisch und Wildfleisch.


Schonende Zubereitung

Damit der Körper bestmöglich von einer spermidinreichen Kost profitiert, ist eine schonende Zubereitung der Speisen wichtig. Spermidin ist hitzeempfindlich und geht beim Braten und Kochen zu einem großen Teil verloren. Daher besser auf schonende Zubereitungsarten wie kurzes Blanchieren von Gemüse setzen. Wird das Kochwasser mitverwendet, wie z. B. bei Gemüsesuppen, geht das im Wasser gelöste Spermidin nicht verloren. Viele der Gemüsesorten, die üblicherweise im Kochtopf landen, lassen sich auch roh genießen. Wie wäre es z. B. mit einem Salat aus gehäckseltem Brokkoli oder Karfiol, jungen Spinatblättern oder fein gehobelten Pilzen? Spermidinreiche Nahrungsmittel lassen sich auf vielfältige Weise in den Alltag einbauen – Anregungen und Rezepte dazu liefert das Buch „Das Spermidin-Kochbuch“ von Prof. Dr. Reinhart Jarisch.


Spermidin als Nahrungsergänzungsmittel

Um den Spermidingehalt im Körper konstant zu halten, steht Spermidin auch als Nahrungsergänzungsmittel in Form von Kapseln, Tabletten oder Pulver zur Verfügung. Während es bei einer ausgewogenen Ernährung mit spermidinreichen Lebensmitteln keine Empfehlung bezüglich einer Obergrenze gibt, sollte bei der Einnahme von Spermidinprodukten eine Tagesdosis von 6 mg nicht überschritten werden. Vor der Einnahme am besten vom Hausarzt/von der Hausärztin oder in der Apotheke beraten lassen.