Ist die Psyche krank, kann auch der Körper krank werden – und umgekehrt. Die Psychosomatik ist ein Teilbereich der Medizin und beschäftigt sich mit den Wechselwirkungen von Körper, Seele und Umwelt. Ganzheitliche Medizin ist das Ziel.

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Es passiert immer dann, wenn man es gerade überhaupt nicht brauchen kann: Beim Vorstellungsgespräch, vor einer wichtigen Prüfung oder wenn große Entscheidungen anstehen, sind viele nicht nur nervös und gestresst, sondern leiden auch unter körperlichen Reaktionen.

Bei einem sind es vielleicht Magen-Darm-Beschwerden, beim nächsten pochende Kopfschmerzen, oder plötzlicher Harndrang, Schwindel, Übelkeit, Schlafstörungen, Herzklopfen – die Liste der Symptome, die uns in Stresssituationen oder bei Überforderung ereilen können, ist lang. All das sind Beispiele für psychosomatische Reaktionen.

Wenn Körper und Seele nicht im Einklang sind, werden Warnsignale ausgesendet

Keine körperliche Ursache?

Psychosomatik 2 - Häufig ist der Weg bis zur richtigen Diagnose lang. - © Shutterstock
Häufig ist der Weg bis zur richtigen Diagnose lang. © Shutterstock

Betroffenen ist häufig nicht bewusst, dass Signale des Körpers mit der Psyche oder unserer Umwelt zusammenhängen können. Wenn die Symptome aber immer wieder auftreten oder gar zu einer Belastung werden, sollte man besser seinen Arzt konsultieren. Dieser sucht in erster Linie nach einer körperlichen Ursache. Wird keine gefunden, wird der Patient meist an einen Spezialisten überwiesen, um genauere Untersuchungen anzustellen. Manchmal vergehen Jahre, bis der Betroffene überhaupt von der Möglichkeit einer psychosomatischen Erkrankung hört.

Wenn bereits viel Zeit verstrichen ist, haben sich die Symptome mitunter schon verschlechtert oder sind gar zum chronischen Problem herangewachsen. Es ist aber freilich nicht immer so. Ärzte und Apotheker achten zunehmend auch auf das psychische Befinden der Patienten. Trotzdem beruht die Diagnose vor allem auf dem Ausschluss körperlicher Ursachen.

Vermutlich kennen Sie die Sprichwörter „das liegt mir schwer im Magen“ oder „das geht mir auf die Nerven“. Da ist etwas Wahres dran. Die psychosomatische Medizin geht nicht nur auf körperliche Beschwerden ein, sondern berücksichtigt bei der Ursachenforschung und Heilung auch die psychische und soziale Situation des Patienten.

Ganzheitliche Gesundheit

Gesundheit wie auch Krankheit ist multikausal und besitzt eine biologische, eine psychische und eine soziale Ebene. Die Psychosomatik behandelt körperliche und seelische Probleme vor dem Hintergrund eines ganzheitlichen Verständnisses von Gesundheit und Krankheit. Sie berücksichtigt sowohl die biologischen, als auch die psychischen und die sozialen Faktoren des Betroffenen.

Unser Körper, unsere Psyche und unsere Umwelt bedingen einander. Tanzt einer dieser drei Bereiche aus der Reihe, wirkt sich das auch auf die anderen beiden aus.

Beispiele für psychosomatisches Leiden

Stress und seelische Belastungen können sich durch körperliche Symptome bemerkbar machen. Umgekehrt können körperliche Erkrankungen aber auch psychisches Leid auslösen.

  • Bei zu viel Stress oder Überforderung können wie bereits anfangs erwähnt unklare Symptome wie Kopfschmerzen, Schwindel, Unruhe, Tinnitus oder chronische Schmerzen auftreten.
  • Essstörungen wie Bulimie, Anorexie oder Adipositas können Ausdruck psychosomatischen Leids sein.
  • Schwere Erkrankungen wie ein Schlaganfall, Herzinfarkt oder Krebs belasten auch psychisch. Depressionen und sozialer Rückzug können die Folge sein, was sich negativ auf die Genesung auswirken kann. Hier ist eine psychosomatische Abklärung und Behandlung sinnvoll.
  • Auch Kinder leiden unter psychosomatischen Beschwerden. Ein Beispiel sind Bauchschmerzen aus Angst vor der Schule.

Typische psychosomatische Erkrankungen

  • Magen-Darm-Probleme (etwa Reizdarm, Reizmagen, Magengeschwür)
  • Schmerzsymptome (wie Kopfschmerzen oder Rückenschmerzen)
  • Schlafstörungen, Ängste, Depressionen
  • Essstörungen (wie Magersucht, Bulimie, Adipositas)
  • HNO-Beschwerden (wie Hörsturz, Tinnitus, Schwindel)
  • Traumafolgestörungen (wie Magen-Darm-Beschwerden, Schmerzen oder Herzrasen durch ein erlebtes Trauma wie den Verlust eines geliebten Menschen)
  • Erektile Dysfunktion, Schmerzen beim Geschlechtsverkehr
  • Stresssymptome (wie Herzrasen oder Schwitzen)
  • Bluthochdruck
  • Schilddrüsenüberfunktion
  • Neurodermitis, Arthritis
  • Allergien (wie zum Beispiel Heuschnupfen)

Vielschichtige Ursachen

Mittlerweile weiß man, dass bei psychosomatischen Beschwerden verschiedene Faktoren eine Rolle spielen, etwa psychosoziale Faktoren: Betroffene weisen in ihrer Biografie verstärkt Belastungsfaktoren wie schwere Verluste, psychische Störungen eines Elternteils, Alkoholkrankheit und Traumatisierung oder Missbrauch auf. Sie befinden sich in schwierigen Lebensumständen, Stresssituationen, Partnerschaftskonflikten, sind überfordert oder verfügen über keine effizienten Bewältigungsmaßnahmen. Auch die genetische Veranlagung kann eine Rolle spielen.

Wie sieht die Behandlung aus?

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Die meisten sind erleichtert, endlich eine Diagnose zu haben. Der Betroffene entscheidet gemeinsam mit seinem Arzt, welche Therapie passend ist. Viele denken bei dieser Erkrankung an Psychopharmaka oder Klinikaufenthalte – das ist zwar eine Option, aber oft nicht notwendig. Die psychosomatische Medizin arbeitet fächerübergreifend.

Einerseits werden die körperlichen Probleme therapiert, andererseits versucht man mit Hilfe der Psychotherapie die Ursache(n) zu finden, zu therapieren und zu beheben. Hierfür steht eine ganze Reihe möglicher Methoden bereit, zum Beispiel:

  • Gesprächs- und/oder Psychotherapie – Man lernt, besser mit den eigenen Gefühlen, mit Krisen und Stresssituationen umzugehen sowie Strategien zur Problembewältigung. Alte Muster werden durchbrochen und durch neue ersetzt.
  • Physiotherapie – Hier wird Körperbewusstsein und Körperkompetenz trainiert. Die Patienten lernen wieder, ihrem Körper zu vertrauen. Der Physiotherapeut erklärt die Körperfunktionen und bringt einem bei, den eigenen Körper wieder positiv wahrzunehmen. Yoga, Achtsamkeitsübungen, Tanztherapie und Atempädagogik werden angewendet.
  • Musiktherapie – Aktives Musikhören, Singen, freie Improvisation mit Instrumenten und Wahrnehmungsübungen. Die Teilnehmer haben zum Beispiel die Aufgabe, musikalisch eine Stimmung umzusetzen. Insbesondere profitieren Menschen mit chronischen Schmerzen, Essstörungen und Burn-Out.
  • Ernährungsberatung/Diätologie – Die Auswahl der richtigen Lebensmittel trägt zu einer Besserung des Wohlbefindens bei und kann den Heilungsprozess unterstützen. Besonders jene mit Essstörungen profitieren.
  • Entspannungstechniken – Man erlernt zum Beispiel autogenes Training, Progressive Muskelrelaxation oder Meditation.
  • Häufig sind auch klinische Sozialarbeiter in den Genesungsprozess eingebunden. Sie haben die Förderung von Selbstständigkeit zum Ziel, helfen etwa beim Wiedereinstieg in die Arbeitswelt (etwa nach langem Krankenstand) oder bei rechtlichen Fragen.

Ziel ist es, die körperlichen und seelischen Zusammenhänge zu verstehen und zu lernen, besser mit Herausforderungen umzugehen, neue Perspektiven zu erschließen und sich wieder in soziale Gruppen einzugliedern.

Hilfe suchen und annehmen

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Je früher Betroffene Hilfe erhalten, desto besser und schneller können sie genesen. Sprechen Sie mit Ihrem Arzt oder Apotheker darüber. In Österreich gibt es zahlreiche Anlaufstellen. Mehr zum Thema finden Sie auch unter Netzwerk-psychosomatik.at und Wien.gv.at.