Sie kennen das bestimmt: Als Kind haben Sie sich auf einer Sommerwiese mit weit ausgebreiteten Armen im Kreis gedreht, bis Ihnen schwindlig war. Herrlich, diese vorbeisausende Welt! Was beim Spiel im Kindesalter noch seinen Reiz hatte, wird in späteren Lebensjahren zu einem bestenfalls lästigen, schlimmstenfalls jedoch großen Problem.

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Schwindel ist an sich keine Krankheitseinheit, sondern das Leitsymptom verschiedener Erkrankungen.

Von Schwindel – in der Fachsprache als „Vertigo“ bezeichnet – spricht man, wenn Betroffene Scheinbewegungen zwischen sich und ihrer Umwelt wahrnehmen. Darüber hinaus können auch Übelkeit und Erbrechen, Schwierigkeiten mit dem Gleichgewicht und/oder Gangunsicherheit auftreten. Manche Personen zeigen während einer Schwindelepisode rhythmische Zuckungen der Augen. Während grundsätzlich alle Altersgruppen betroffen sind, steigt die Häufigkeit mit dem Alter. Was nicht allzu bekannt ist: Schwindel ist keine eigenständige Krankheit, sondern das Leitsymptom verschiedener Erkrankungen unterschiedlichen Ursprungs, die von Innenohr, Auge, Hirnstamm oder Kleinhirn ausgehen, aber auch psychische oder psychosomatische Ursachen haben können.

Ursachen

60 % der Schwindelzustände sind nicht ursächlich einer Erkrankung zuzuordnen und verschwinden wieder. Darunter fallen psychogener Schwindel, der in bestimmten Auslösesituationen wie im Fahrstuhl oder unter psychischem Stress auftritt, und Schwindel im Alter. Letzterer kommt durch das Zusammentreffen mehrerer, jeweils oft nur leicht ausgeprägter, Störungen an verschiedenen Orten der Gleichgewichtswahrnehmung und Verarbeitung zustande.

Den verbleibenden 40 % der Schwindelzustände lässt sich eine Diagnose zuordnen. Oft handelt es sich hierbei um Benignen paroxysmalen Lagerungsschwindel (BPLS), der beim morgendlichen Aufstehen, Drehen des Kopfes, oder beim Hoch- und Hinabschauen auftritt – also immer dann, wenn sich die Orientierung des Körpers im Raum verändert.

Schwindel kann sich darüber hinaus auch als Symptom einer Erkrankung der Halswirbelsäule oder des Gleichgewichtsorgans, als Zeichen von Kreislaufregulationsstörungen, Herzrhythmusstörungen, Erkrankungen des peripheren Nervensystems und Durchblutungsstörungen des Gehirns äußern. Weitere Ursachen können Medikamentennebenwirkungen, Migräne, Morbus Menière (anfallartiger Drehschwindel mit starkem Drehgefühl und Übelkeit) sowie Herzerkrankungen sein.

Schwindelsymptomen können jedoch auch vergleichsweise banale Ursachen wie Verspannungen im Rücken oder Nacken, niedriger Blutzucker und Blutdruck zugrunde liegen.

Überblick: Einteilung des Schwindels

  • vestibulärer Schwindelzentral: Migräne, Durchblutungsstörungen des Gehirns, Medikamentennebenwirkungen (Beruhigungsmittel, Antiepileptika, bestimmte Antibiotika, Alkohol-/Drogenkonsum), Parkinson

    peripher: BPLS, Morbus Menière, Entzündung des Gleichgewichtsnervs durch Virusinfektionen, Irritation der Halswirbelsäule
  • nicht-vestibulärer SchwindelHerz-Kreislauf-System, Augenerkrankungen, Erkrankungen des Nervensystems
  • psychogene Formenstress-/angstbedingt

Schwindel ist nicht gleich Schwindel

Da Vertigo ein so komplexes Thema ist, ist die Diagnosestellung für die Therapie von zentraler Bedeutung. Die Medizin unterscheidet zwischen vestibulärem Schwindel, der ursächlich mit dem Gleichgewichtsorgan im Innenohr zusammenhängt, nicht-vestibulärem Schwindel und psychogenen, also seelisch bedingten, Formen.

Wichtige Unterscheidungskriterien der verschiedenen Schwindelsyndrome sind darüber hinaus Art und Dauer des Schwindels, dessen Auslösbarkeit und das Vorhandensein von Begleitsymptomen.

Auf Warnsignale achten

schwindel2_shutterstock_1662766783 - Treten zusätzlich zum Schwindel Kopfschmerzen, Nackenschmerzen, neurologische Beschwerden und Gangunsicherheiten auf, sollten die Alarmglocken läuten und Rücksprache mit Ärztin oder Arzt gehalten werden.
Treten zusätzlich zum Schwindel Kopfschmerzen, Nackenschmerzen, neurologische Beschwerden und Gangunsicherheiten auf, sollten die Alarmglocken läuten und Rücksprache mit Ärztin oder Arzt gehalten werden.

Treten zusätzlich zum Schwindel Kopfschmerzen, Nackenschmerzen, neurologische Beschwerden (Probleme beim Hören, Sehen, Schlucken, Sprechen oder Bewegen) und Gangunsicherheiten auf, sollten die Alarmglocken läuten. Falls die Schwindelsymptome gravierend sind und länger als eine Stunde andauern, oben angeführte Warnsignale eintreten oder der Schwindel von Erbrechen begleitet wird, sollte ein Krankenhaus aufgesucht werden.

Auch bei leichteren, aber wiederkehrenden Beschwerden sollte Rücksprache mit Ihrer Ärztin/Ihrem Arzt gehalten werden.

Therapie

Falls dem Schwindel eine zuordenbare Krankheit zugrunde liegt, wird diese symptomatisch behandelt werden, wie es bspw. bei einer Entzündung des Gleichgewichtsnervs oder bei Durchblutungsstörungen der Fall ist.

Sind die Beschwerden stark ausgeprägt, kann die Ärztin/der Arzt eine medikamentöse Therapie vorschlagen, auch bei Übelkeit und Erbrechen gibt es passende Arzneimittel. In beiden Fällen handelt es sich jedoch um eine symptomatische Therapie, die die zugrunde liegende Erkrankung nicht behandelt. Falls schwindelfördernde Medikamente (Psychopharmaka, Schlafmittel, Antihistaminika) der Grund für die Symptome sind, können Optimierungsmöglichkeiten in der bestehenden Medikation mit der Ärztin/dem Arzt besprochen werden.

Studie: Gleichgewichtstraining und Ginkgo biloba

Eine aktuelle Studie, die im November 2021 mit 120 Testpersonen durchgeführt wurde, macht Hoffnung auf einen synergistischen Effekt von Gleichgewichtstraining und der Einnahme von Ginkgo-biloba-Trockenextrakt:

Zwölf Wochen lang nahmen die Studienteilnehmer:innen 2 x täglich 80 mg eines standardisierten Trockenextraktes (Ginkgo biloba EGb 761) zusätzlich zum täglichen Gleichgewichtstraining ein.

Im Rahmen dieser Studie konnte eine klinisch relevante Verbesserung von altersbedingtem Schwindel bei guter Verträglichkeit der Medikation nachgewiesen werden.

Achtung! Bei der Einnahme von blutverdünnenden Medikamenten sollten Sie Ginkgo nicht ohne ärztliche Rücksprache anwenden.

Physiotherapeutische Maßnahmen

Insbesondere bei Schwindel im fortgeschrittenen Alter sind physiotherapeutische Maßnahmen wie Gang- und Gleichgewichtsübungen im Hinblick auf die Sturzprävention empfehlenswert; jedoch profitieren auch jüngere Betroffene davon. Diese Übungen rufen gezielt Gangunsicherheiten hervor, die durch den Körper ausgeglichen werden müssen – wodurch das Gleichgewichtssystem trainiert wird. Darüber hinaus fördert sportliche Aktivität die Bewegungssicherheit.

Eine weitere Möglichkeit ist das Neurofeedbacksystem. Hier verwendet man einen Reiz, um der Patientin/dem Patienten während des Gleichgewichtstrainings Abweichungen aus der Körpernormallage zu signalisieren und dadurch eine Korrekturbewegung einzuleiten. Dieser Reiz kann durch Berührungen oder akustisch ausgelöst werden. Dazu trägt der/die Patient:in während des Trainings einen Hüftgürtel mit Vibrationsstimulatoren.

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