Alle Jahre wieder … grüßt der „Winterblues“. Wie das saisonal bedingte Stimmungstief entsteht, und was Sie dagegen unternehmen können.
Konzentrations- und Schlafstörungen, Antriebslosigkeit, eine gedämpfte Grundstimmung und eine ständige Müdigkeit, auch tagsüber – viele Menschen kennen diese Symptome nur zu gut. Wenn sich diese Beschwerden v. a. in der dunkleren, kühleren Zeit des Jahres einstellen und mit Frühlingsbeginn wieder zurückgehen, ist umgangssprachlich oft vom „Winterblues“ die Rede. In Fachkreisen spricht man meist von einer Saisonal Abhängigen Depression (SAD) oder einfach einer Herbst-Winter-Depression.
Doch was ist der genaue Auslöser dieser Art der Depression, von der jährlich etwa 200.000 Österreicher:innen betroffen sind? „Die Ursache ist – wie bei einer herkömmlichen Depression – ein Problem in den Botenstoffsystemen des Gehirns“, erklärt Prof. Dr. Edda Winkler-Pjrek, Leiterin der Ambulanz für Herbst-Winter-Depressionen am AKH Wien. Neben dem Glückshormon Serotonin spiele dabei v. a. das Schlafhormon Melatonin eine entscheidende Rolle. „Der Melatoninspiegel wird durch den Lichtmangel beeinflusst“, so Winkler-Pjrek. Die geringere Anzahl der Lichtstunden in den Herbst- und Wintermonaten habe einen höheren Melatoninspiegel zur Folge, und dieser verursache schließlich die charakteristischen Symptome wie z. B. Tagesmüdigkeit.
Vielfältige Therapieoptionen
Die am besten bewährte Behandlungsmethode bei der Herbst-Winter-Depression ist die Lichttherapie. Dabei sitzt der/die Patient:in vor einer speziellen Tageslichtlampe, die weißes Licht ohne UV-Strahlen abgibt. Um eine möglichst hohe Wirksamkeit zu erzielen, sollte die Lichtstärke idealerweise mindestens 10.000 Lux betragen. Eine Anwendungsdauer von etwa einer halben Stunde – am besten täglich – ist ausreichend. Bei schweren Ausprägungen der Herbst-Winter-Depression ist eine ergänzende medikamentöse Behandlung sinnvoll. Betroffene sollten außerdem darauf achten, sich auch in der kälteren Jahreszeit oft im Freien aufzuhalten und körperlich aktiv zu bleiben. Ein Urlaub in sonnigeren Gefilden kann sich ebenfalls positiv auf die Gemütslage auswirken.
Darüber hinaus gibt es neue, vielversprechende Behandlungsansätze im ambulanten Bereich: „Studien zeigen, dass Omega-3-Fettsäuren ebenfalls antidepressiv wirken, sodass wir ab dieser Saison im Rahmen eines Forschungsprojektes auch diese Therapiemöglichkeit anbieten werden. Interessierte können sich gerne bei uns an der Ambulanz für Herbst-Winter-Depressionen am Wiener AKH für einen Termin anmelden“, so Winkler-Pjrek.
Maßnahmen: Praktische Tipps gegen den Winterblues
Das können Sie selbst gegen den saisonal bedingten Stimmungsabfall oder „Seasonal Affective Disorder“ (SAD) tun:
- Lichttherapie: in einer Praxis/Ambulanz oder zu Hause mit speziellen Lichtlampen
- Aufenthalte im Freien bei Tageslicht
- körperliche Aktivität auch in der kalten Jahreszeit fortsetzen
- Vitamin-D-Spiegel messen bzw. durch Supplementierung ausgleichen
- Anpassung der Ernährung: z. B. frisches Gemüse und Nahrungsmittel mit Omega-3-Fettsäuren (Fisch, Speiseöle, Nüsse und Samen etc.)
- einen regelmäßigen Tagesrhythmus beibehalten
- soziale Kontakte pflegen
- Psychotherapie in Anspruch nehmen
- Urlaub in der Sonne
Interview: „Betroffene sind tagsüber oft sehr müde“
Prof. Dr. Edda Winkler-Pjrek ist Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin. Sie leitet die Ambulanz für Herbst-Winter-Depressionen am AKH Wien.
DA Wodurch wird eine Herbst-Winter-Depression ausgelöst?
Prof. Dr. Edda Winkler-Pjrek Die Ursache ist – wie bei einer herkömmlichen Depression – ein Problem in den Botenstoffsystemen des Gehirns. Was bei einer Herbst-Winter-Depression jedoch zusätzlich zum Serotonin eine wichtige Rolle spielt, ist der Melatoninspiegel. Dieser wird durch den Lichtmangel beeinflusst. Normalerweise wird die Melatoninausschüttung am Morgen durch das Tageslicht gestoppt. Wenn es nun jahreszeitbedingt weniger Lichtstunden gibt, führt das zu einem erhöhten Melatoninspiegel. Bei „normalen“ Personen ist dieser Spiegel trotzdem auch im Herbst und Winter untertags vergleichsweise eher niedrig, da die Melatoninproduktion am Morgen auch ohne Lichteinfluss automatisch gestoppt wird. Bei Menschen, die unter einer Herbst-Winter-Depression leiden, bleibt dieser Spiegel jedoch hoch. Das hat auch zur Folge, dass die Betroffenen tagsüber oft sehr müde sind.
DA Inwiefern unterscheidet sich die Herbst-Winter-Depression von anderen Depressionsformen? Wie erkennt man als Betroffene/r, dass man an dieser Form der Depression leidet?
Winkler-Pjrek Ein wichtiges Kriterium für die Diagnose ist, dass sich zumindest zwei Jahre hintereinander die Symptome immer im Herbst und Winter eingestellt haben und im Sommer dann wieder zurückgegangen sind. Wenn es nur während eines Jahres passiert, kann es ja auch ein Zufall sein, dass sich die Depression gerade in dieser Jahreszeit entwickelt. Die Symptome an sich sind bei einer Herbst-Winter-Depression ähnlich wie bei einer „normalen“ Depression: Konzentrationsstörungen, gedämpfte Stimmung, Müdigkeit oder auch Schlafstörungen. Zusätzlich spielt bei einer Herbst-Winter-Depression aber eben auch die Tagesmüdigkeit eine große Rolle. Oft haben die Betroffenen auch spontan Lust auf Süßes oder auf Kohlenhydrate. Bei einem Drittel der Patientinnen und Patienten kommt es wiederum zu einer Appetitlosigkeit.
DA Was sind die Behandlungsmöglichkeiten bei Herbst-Winter-Depressionen?
Winkler-Pjrek Wir haben die Herbst-Winter-Depression bei uns in der Ambulanz bis jetzt mit Lichttherapie behandelt. Bei rund der Hälfte der Betroffenen reicht diese Methode aus, bei der anderen Hälfte werden zusätzlich Antidepressiva eingesetzt. Studien zeigen, dass Omega-3-Fettsäuren ebenfalls antidepressiv wirken, sodass wir ab dieser Saison im Rahmen eines Forschungsprojektes auch diese Therapiemöglichkeit anbieten werden. Interessierte können sich gerne bei uns an der Ambulanz für Herbst-Winter-Depressionen am Wiener AKH für einen Termin anmelden.
DA Was kann man vorbeugend tun, um eine Herbst-Winter-Depression gar nicht erst entstehen zu lassen?
Winkler-Pjrek Das ist leider gar nicht so einfach. Wir raten unseren Patientinnen und Patienten auf jeden Fall immer dazu, die Situation von Jahr zu Jahr gut zu beobachten. Eine Herbst-Winter-Depression tritt nicht zwangsläufig jedes Jahr auf. Man sollte einfach genau darauf achten, wie es einem im Herbst geht. Bei Bedarf kann man frühzeitig mit der Lichttherapie beginnen. Viele haben auch selbst schon Lichtlampen bei sich zu Hause. Außerdem sollte man auch im Herbst und Winter häufig nach draußen ins Freie gehen. Es ist auch wichtig, auf die Ernährung zu achten: am besten viel frisches Gemüse und Nahrungsmittel mit Omega-3-Fettsäuren zu sich nehmen. Mit diesen Maßnahmen kann man den Beschwerden zumindest etwas entgegenwirken.
DA Danke für das Gespräch.