Stress. Wer kennt ihn nicht? Damit unsere mentale Gesundheit nicht aus dem Gleichgewicht gerät, erfordert es einen richtigen Umgang mit Stress. Selbstfürsorge und Achtsamkeit sind der Schlüssel.

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Homeoffice und Homeschooling und damit verbunden die Organisation des Alltags, Ärger im Job, Probleme in der Familie ... Die Liste an Stressoren ist lang und durch Sätze wie „Ich darf nicht Nein sagen“ oder „Ich muss immer 100 Prozent geben und darf keine Fehler machen“ werden diese Auslöser von Stress noch verstärkt.

In unserer Leistungsgesellschaft passiert es unausweichlich, dass wir uns ständig unter Druck setzen, uns keine Pause gönnen, sozusagen funktionieren müssen. Oftmals erscheint der Satz „Ich bin im Stress“ sogar positiv – einerseits bei uns selbst, aber auch bei anderen. Denn ein Mensch, der Stress hat, hat anscheinend viel zu tun – leistet viel, ist wichtig und wird gebraucht. Hat Stress demnach auch eine positive Seite? Ja, jedoch hängt dies sehr stark vom Stresslevel ab.

Beim sogenannten Eustress, dem positiven Stress, befinden wir uns in einem optimalen Aktivierungsniveau, in dem wir die höchste Leistung bringen können. Steigt der Stress jedoch immer weiter, fällt das Leistungsniveau irgendwann ab, und wir befinden uns im sogenannten Distress, dem negativen Stress.

Kommt es zu keiner oder nicht ausreichender Erholung in dieser Phase, summieren sich die Stressphasen immer weiter, das Stresslevel steigt – und irgendwann zeigt uns der Körper: Stopp, so kann es nicht weitergehen.

Symptome​​​​​ auf vier Ebenen

Die Symptome, wie sich ein ungesundes Maß an Stress auf unser Wohlbefinden und damit auf die mentale, aber auch körperliche Gesundheit auswirken kann, sind vielfältig. Grundsätzlich finden Veränderungen auf vier Ebenen statt: Körper, Geist, Verhalten und Gefühle (siehe Kasten).

Um auf diesen vier Ebenen wieder ins Gleichgewicht zu kommen, ist es wichtig, rechtzeitig die Bremse zu ziehen – Stress reduzieren also. Aber wie?

Alarmsignale – Zu den häufigsten Symptomen zählen:

  • Körperlich: Schwindel, Herz-Kreislauf-Beschwerden, Reizmagen, Sodbrennen, Verdauungsbeschwerden, Erschöpfung sowie Kopf-, Nacken- und Rückenschmerzen
  • Geistig: Konzentrationsstörungen, Vergesslichkeit, Denkblockaden, nicht abschalten können
  • Verhalten: Rastlosigkeit, Schlafstörungen, Antriebslosigkeit, sexuelle Probleme, Neigung zu Unfällen, Frustessen, erhöhter Alkoholkonsum, sozialer Rückzug
  • Gefühle: lustlos, gereizt, ärgerlich, aggressiv, unzufrieden, schlechte Laune, hilflos, überfordert und sich fremdbestimmt fühlen

Selbstfürsorge – für sich selbst sorgen

Selbstfürsorge_Self care_shutterstock_1707717478 - Wann haben Sie sich das letzte Mal so richtig entspannt? Tun Sie einen Tag lang nur Dinge, die Ihnen gut tun.
Wann haben Sie sich das letzte Mal so richtig entspannt? Tun Sie einen Tag lang nur Dinge, die Ihnen gut tun.

Um den nötigen Ausgleich zu den verschiedenen Stressoren zu schaffen, spielt Selbstfürsorge eine große Rolle. Entgegen der gängigen Meinung in unserer Gesellschaft, sollte das eigene Ich – die Wahrnehmung der eigenen Bedürfnisse – an erster Stelle stehen.

Manch einer mag jetzt denken, das sei Egoismus. Falsch gedacht: Selbstfürsorge ist gesunder Egoismus. Nur wenn es einem selbst gut geht, kann man auch für andere gut sorgen. Wer ständig gestresst durchs Leben hetzt und nie auf sich schaut, wird zwar eine Zeit lang alle Aufgaben erledigen können, zunehmend aber immer ausgelaugter und müder werden. Es wird sich ein Gefühl von „das Leben erledigen“ anstelle von Lebensfreude einstellen.

Wer seinen Energietank nie mit Tätigkeiten auffüllt, die gut tun, um Stress auszugleichen, wird mit der Zeit leer. Wie der Tank eines Autos, das nie zur Tankstelle fährt. Irgendwann bleibt es stehen. Das Auto sendet als Warnung ein Alarmlicht, das aufleuchtet. Unser Körper macht dies auch in Form der oben beschriebenen Signale. Werden diese ignoriert, bleibt man tatsächlich in absehbarer Zeit auf der Strecke. Daher ist es wichtig, gut für sich zu sorgen.

Achtsam sein im Hier und Jetzt

Ein Schlagwort, das derzeit immer mehr Aufmerksamkeit findet, lautet Achtsamkeit. Wer kennt es nicht: Man liegt im Bett, will endlich einschlafen, doch die Gedanken kreisen. Was steht morgen an? Was ist zu erledigen? Vielleicht dreht sich das Gedankenkarussell auch noch viel weiter in die Zukunft: Was wird sein? Wie geht das alles weiter?
Oder wir grübeln über den vergangenen Tag, die vergangene Woche, bleiben an etwas hängen, das uns beschäftigt ...

In den allermeisten Fällen handelt es sich dabei um negative Gedanken, Sorgen, Probleme und Belastungen. Wir denken also entweder in die Zukunft oder in die Vergangenheit. Beides können wir in dem Moment nicht mehr beeinflussen. Was gestern war ist schon passiert, und was morgen ist, wird erst geschehen. Genau hier setzt Achtsamkeit an.

Achtsamkeit bedeutet, mit den Gedanken im Hier und Jetzt zu sein – genau in dem Moment, in dem man sich befindet. Es geht dabei um ein bewusstes Beobachten der Gegenwart. Die Grundsätze dafür lauten: wohlwollend und akzeptierend, nicht urteilend und nicht wertend, nicht einteilend oder kategorisierend.

Einfach erklärt könnte man sagen, man sieht die Welt mit Kinderaugen. Achtsamkeit erlaubt uns, Gefühle und Gedanken völlig wertfrei zu betrachten und lehrt uns, im Augenblick zu leben. Dadurch können Grübeln und Sorgen gestoppt und Stress abgebaut werden. Das braucht jedoch Übung.

Den Geist zur Ruhe kommen lassen

Mann_Meditation_Schneidersitz - Bei der klassischen Sitzmeditation soll man sich ausschließlich auf den Atem konzentrieren und aufkommende Gedanken und Gefühle wertfrei vorüberziehen lassen. - © Shutterstock
Bei der klassischen Sitzmeditation soll man sich ausschließlich auf den Atem konzentrieren und aufkommende Gedanken und Gefühle wertfrei vorüberziehen lassen. © Shutterstock

Der US-Wissenschafter Jon Kabat-Zinn hat in den 1970er-Jahren die sogenannte „Achtsamkeitsbasierte Stressreduktion“, die „Mindfulness-Based Stress Reduction“, entwickelt. Sie basiert auf verschiedenen wissenschaftlich geprüften Meditationstechniken mit dem Ziel, den Geist zur Ruhe kommen zu lassen. Ein Beispiel ist die klassische Sitzmeditation, bei der man sich ausschließlich auf den Atem konzentrieren soll und aufkommende Gedanken und Gefühle wertfrei vorüberziehen lässt.

Ein weiteres Beispiel ist der sogenannte Bodyscan. Hierbei wird die Aufmerksamkeit der Reihe nach auf jeden einzelnen Bereich des Körpers gelenkt. Auch hier gilt, Empfindungen nur wahrzunehmen, nicht zu bewerten.

Wie bereits erwähnt, gelingt dies nicht sofort. Es braucht Training, bis wir es schaffen, tatsächlich wertfrei das Hier und Jetzt zu beobachten. Kontinuität zahlt sich jedenfalls aus, denn Hirnforscher haben nachgewiesen, dass Meditationen Stress tatsächlich reduzieren können. Der Schlaf verbessert sich, und sogar der Umgang mit Schmerzen gelingt besser.

Wer also etwas für seine mentale Gesundheit tun will, dem seien diese Methoden ans Herz gelegt. Einzig bei psychischen Erkrankungen wie Depressionen und Persönlichkeitsstörungen ist Vorsicht geboten. Hier sollte die Durchführung nur in Begleitung von einem Psychologen erfolgen.

Autorin: Mag. Natascha Marakovits